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Szene aus "Ein Fest bei Baba Dengiz" von Volker Ludwig nach dem Stück "Ein Fest bei Papadakis".

© Philipp Kuelker / drama-berlin.de

Grips Theater: „Ein Fest bei Baba Dengiz“: Herr Müller muss weg

Neuauflage eines Klassikers: Volker Ludwigs Stück „Ein Fest bei Baba Dengiz“ im Grips Theater.

Selbst auf dem Zeltplatz greift die Islamisierung um sich. Dort, wo Herr Müller und seine Kinder seit zehn Jahren ihr Lager aufschlagen, hat sich jetzt ein Herr Dengiz mit seinem Sohn Tolga breitgemacht. Unglaublich. Einst standen die Türken vor Wien, heute rammen sie ihre Heringe in den brandenburgischen Boden. Und der Deutsche leidet unter einem Mangel an Zeltraum. „Wo du hinkiekst Migranten“. So jedenfalls sieht Achim Müller das. Der Mann ist einer von denen, die nichts gegen Ausländer haben, solange sie im Ausland bleiben. Dass Dengiz, Einwanderersohn der zweiten Generation, einen deutschen Pass besitzt, ist in das Weltbild dieses bierseligen Biedermanns eher nicht integrierbar.

Die Angst vor Fremden ist topaktuell

Der rassistisch motivierte Zeltlagerkampf, der hier über die Bühne geht, tobte am Grips Theater erstmals vor 41 Jahren. „Ein Fest bei Papadakis“ hieß das Stück, mit dem Volker Ludwig sein Haus am Hansaplatz eröffnete. Seitdem scheint auf fatale Weise die Zeit stehen geblieben zu sein. Denn um die Camping-Querelen in die Gegenwart zu holen, braucht es nicht viel. Autor Ludwig hat für sein Update im Grunde bloß die Herkünfte der Figuren geändert. Aus dem griechischen Gastarbeiter Papadakis ist jetzt der türkische Kleinunternehmer Ahmed „Baba“ Dengiz geworden. Und das türkische Mädchen Aysche, das vom fiesen Zeltplatzbesitzer ausgebeutet wird, heißt nun Violeta und ist eine Romni. Die Geisteshaltung der diffusen Überfremdungsangst Marke Müller ist dagegen ewigheutig und grenzenlos verbreitet. Weswegen „Papadakis“ weltweit zum Exportschlager mit wechselnden Hintergründen wurde. In Paris mit marokkanischen, in London mit indischen, in Tel Aviv mit russischen Campern erzählt.

„Ein Fest bei Baba Dengiz“ ist also eher die Neuauflage als die wirkliche Neufassung eines Klassikers. Genauso bringt Regisseur Yüksel Yolcu („Schnubbel“) die Geschichte auch auf die Bühne. Mit einfachen, wirkungsvollen Grips-Mitteln und klarem Weltbild. Kunstrasen, zwei Zelte, Projektionen vom See und Michael Brandt an der Akustikgitarre – fertig ist das Umerziehungs-Camp für Verbohrte, das mit Müllers Läuterung und Birger Heymanns Evergreen „Wir sind Kinder einer Erde“ enden wird.

Reanimation allein ist kein gutes Rezept

René Schubert gibt den Gernegroß, der eigentlich auch nur ein armes Schwein ist. Kein Fabrikarbeiter mehr wie im Original, sondern ein Bankrotteur, dessen Pleite-Kiosk ausgerechnet von Türken aufgekauft wurde. Die daraus erwachsenen Ressentiments gibt der Beleidigte ungefiltert an Filius Leon (Lorris Andre Blazejewski) weiter. Obwohl dem auch langsam dämmert, dass er mit Dengiz’ Sohn Tolga (Paul Jumin Hoffmann) mehr gemeinsam hat als nur das T-Shirt-Motiv. Müller-Tochter Sophie (Esther Agricola) ist ohnehin schon weiter und sucht unbefangen Kontakt zu den Zeltnachbarn. Sehr hellsichtig. Schließlich wird Dengiz (Nizam Namidar) dem Biodeutschen im Versöhnungsfinale sogar einen Job anbieten. Ob die Geschichte dagegen auch für Violeta (als Gast: Anke Retzlaff) ein Happy End hat, bleibt offen.

Sowohl Ludwigs Stück, als auch Yolcus Inszenierung funktionieren tadellos. Die Premiere fällt allerdings in eine gespannte Zeit. Dass Volker Ludwig im Tagesspiegel-Interview erklärt hat, er sehe am Grips keine Stücke, die die Kraft hätten, seine eigenen zu ersetzen ist nicht überall gut angekommen. Dramatiker Lutz Hübner etwa hat von einer „schallenden Ohrfeige“ für alle Grips-Autoren, gesprochen. „Ein Fest bei Baba Dengiz“ beweist die zeitlose Kraft von Ludwigs Stücken. Legt aber nicht nahe, die Zukunft des Grips auf solche Repertoire-Reanimationen zu bauen.

Grips Hansaplatz, Mo 20.4., Mi 29.4., Do 30.4., 10 Uhr, Altonaer Str. 22

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