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Kultur: Grün-Schwarz

Wie Botho Strauß sich in die Politik einmischt

Pünktlich zum Anstieg der Buchmessen-Erregungskurve liefert Botho Strauß in der „FAZ“ Gesprächsstoff für all die nervösen Stehempfänge und Messehallenflurspaziergänge: „Wenn die Grünen schwärzer, die Schwarzen grüner würden“, heißt sein Text. Kein wütendes, kulturpessimistisches Stoßgebet wie anno 1993 sein „Anschwellender Bocksgesang“, der die Linke zutiefst provozierte. Wie auf Strauß-Befehl begann damals eine Selbstrevision der linken Intellektualität, die dazu führte, dass die Linke 1998 eine nicht unbehagliche „Neue Mitte“ in Schröders und Fischers Rot-Grün-Projekt fand. Heute tritt Strauß mit der Gelassenheit des uckermärkischen Eremiten auf: Entspannt würdigt er die Vorzüge der grünen „Gaia-Partei, feminin und heidnisch“ als die einzige „metapolitische Partei in unserem Parlament“, die das „ursprünglich Konservative“ in die Politik wiedereingeführt habe. Gewiss, sie solle den emphatischen Gesinnungsfuror zügeln und bitteschön keine das Dichterauge beleidigenden Windräder in die Uckermark pflanzen. Aber Strauß schillert diesmal mehr grün als schwarz. An die C-Parteien appelliert er, sich diese ursprüngliche Dimension des Konservativen anzueignen, um eines schönen Tages Schwarz-Grün zu ermöglichen.

Die alte Sloterdijk-These, dass im Grunde alle demokratischen Parteien in Deutschland Variationen des sozialdemokratischen Konzepts seien und nur die Grünen etwas Neues in die Politik gebracht hätten, führt Strauß in faszinierender Präzision durch. Er schließt mit dem spontihaften Satz: Jeder Methodenwechsel sei erstrebenswert, der den Akteuren mehr Wahrheit und Fantasie abverlangt.

So durchlaufen die 68er ihre renegatischen Phasen wie Selbsterfahrungsgruppen, um irgendwann zu ihren liberalen Wurzeln zurückzukehren. Auch ohne die Haschisch-Schwaden der Jamaica-Lösung wird mit Botho Strauß sogar die CDU zur Gaia-Partei. Und hat Angela Merkel nicht längst am Joint des Straußschen Geistes gezogen?

Marius Meller

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