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Kultur: Gurrend im Nichts

Theater ist live.Und schon deswegen mehr mit Fußball als mit Kino wesensverwandt.

Theater ist live.Und schon deswegen mehr mit Fußball als mit Kino wesensverwandt.Zwar dauert der Bühnenzauber meistens (leider) länger als 90 Minuten.Gekocht wird auf den Brettern wie auf dem Rasen aber in jedem Fall mit Wasser.Das ist auch bei Georgette Dee nicht anders.Ob die kettenrauchende Diseuse kicken kann, ist nicht überliefert.Keine Mühe aber scheut sie, ein wunderbares Woody-Allen-Märchen von der Leinwand ins Theater zu holen.Daß die egomanische Selbstdarstellerin sich als äußerst teamfähig erweist, ist allein schon eine Überraschung.Ein kleines Wunder auch, daß die von Regisseur Martin Woelffer an das Berliner Theater am Kurfürstendamm geholten "Kugeln überm Broadway" zu einem gänzlich blödelfreien Bühnenspaß werden.

Kunst kann noch so gute Vorsätze haben, trotzdem braucht sie, um erfolgreich zu sein, erst einmal Geld.Weil Autor und Regisseur David Shayne (Ulrich Simontowitz) und sein Produzent Julian Marx (Uwe Büschken) zwar tolle Ideen, aber ein notorisch klammes Portemonnaie haben, verbünden sie sich mit dem Teufel.Der kommt diesmal von der Mafia, heißt Nick Valenti (Gerhard Haase-Hindenberg) und hat mit Olive (Ute Willing) eine ziemliche Nervensäge zur Freundin.Die kann zwar kaum einen Satz richtig sprechen, hat sich aber in den Kopf gesetzt, vom Tillergirl zum Schauspielstar zu avancieren.Und damit beginnt der ganze Schlamassel.Und der Witz der temporeichen, von Woelffer mit filmischen Schnitten prägnant und turbulent erzählten Geschichte.Von Bühnenbildner Thomas Pekny wird die zwischen Kunst und Kriminalität, Bühnenhommage und Theatersatire angesiedelte Story aus der Prohibitionszeit mit minimalistischem Mobiliar, verschiebbaren Wänden und an Film-Sets erinnernden Licht-Türmen in ein effektiv bebildertes Ambiente verfrachtet.

In diesem kargen Bühnennichts kann Georgette Dee umso koketter gurren und flirren.Als Bühnenlegende Helen Sinclair ist sie ganz exentrische Diva und blasierte Berserkerin, pathetisches Prachtweib und erfolgsgeile Karrierefrau.Sie ist die unumschränkte Königin des Proben-Chaos, aber nicht der wirkliche Star des Abends.Denn das ist Ute Willing.Was sie (die auch noch Ellen, die Geliebte des Junggenies David spielt) aus der Rolle der Olive macht, changiert grandios zwischen Slapstick und Blondinenwitz.Sie ist leiernde Textmaschine und blauäugiges Spatzenhirn.Wenn sie von Cheech, ihrem Bodyguard, abgeknallt wird, geschieht ihr das zwar recht, ist aber trotzdem schade.Cheech mußte tun, was ein Killer tun muß.Denn inzwischen ist der von Romanus Fuhrmann mit trockenem Humor gespielte Killer zum Mitautor des Stückes geworden, hat Davids anämischen Plot mit ein paar deftigen Szenen auf die Sprünge geholfen.Da können allein ein paar Kugeln die Kunst retten.So werden Cheech und Olive zu heimlichen Hauptdarstellern, und Georgette Dee darf ein laszives Abschiedslied ins Mikro hauchen.Der sterbende Cheech möchte nur noch eines: den Applaus hören.Der kommt denn auch reichlich.Ob die auf ein neues Boulevard-Publikum zielende, mit intellektuellem Humor hantierende Inszenierung ein Erfolg wird? Theater ist live.Und da ist alles möglich.

bs 4.7., 20 Uhr.Sa 19, So 16 und 20 Uhr

FRANK DIETSCHREIT

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