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Kultur: Gustav Mahler: Wunderhorntöne überall

Überschwänglichkeit und Kontrolle: dieses atmosphärische Mittel ist es, was an Claudio Abbados Interpretation der siebenten Symphonie von Gustav Mahler fasziniert. Drei ausverkaufte Konzerte, und die Hoffnung auf Eroberung einer Karte für das erste bleibt für viele in der Warteschlange hängen, die sich im Foyer der Philharmonie staut.

Überschwänglichkeit und Kontrolle: dieses atmosphärische Mittel ist es, was an Claudio Abbados Interpretation der siebenten Symphonie von Gustav Mahler fasziniert. Drei ausverkaufte Konzerte, und die Hoffnung auf Eroberung einer Karte für das erste bleibt für viele in der Warteschlange hängen, die sich im Foyer der Philharmonie staut. Die Nähe zum Philharmonischen Orchester habe ihm bei seiner schweren Krankheit im vergangenen Jahr sehr geholfen, bekannte der Dirigent auf der Pressekonferenz vor wenigen Tagen: "Es war die beste Medizin." Als schnellfertig mit dem Wort gilt der Künstlerische Leiter der Berliner Philharmoniker nicht. Was immer gewesen sein mag zwischen ihm und den Musikern und dem ausgeschiedenen Intendanten Elmar Weingarten: Von dem "wunderbaren Verhältnis", das der Maestro jetzt zu seinem Orchester spürt, erwartet sich jeder auch künstlerisch ein Fest.

Getragen von den Wogen der trauermarschartigen Einleitung eröffnet Christhard Gössling den Abend ausdrucksmächtig ("großer Ton!") auf dem Tenorhorn, einer Spezialität des philharmonischen Soloposaunisten. Abbados Interpretation steht vor allem dafür ein, die beiden Stilschichten der Symphonie, die Hans F. Redlich in der Eulenberg-Taschenpartitur als unvereinbar darstellt, vermittelnd zu beleuchten. Die beiden Ecksätze mit ihrer engmaschigen Polyphonie oder auch "Verschiedenstimmigkeit" und den glanzvollen Dur-Schlüssen umschließen nicht nur die serenadenhaften Mittelsätze, sondern nehmen sie gedanklich in sich auf. Wenn die Herdenglocken als pastorale Klangsymbole und nostalgische Traumbilder leise in das hochfliegende Fortissimo des Finales klingen, dann wird die Eichendorff-Stimmung der vorkomponierten "Nachtmusiken" zärtlicher und logischer als je zurückgeholt. Welten trennen den Rondosatz, den die Pauke "mit Bravour" anstimmt, von der gedämpft verklingenden "Nachtmusik II" mit den bukolischen Zusatzinstrumenten Gitarre und Mandoline, die ein kleines Ständchen suggerieren. Und doch umfasst Abbados Weitsicht den Wunderhornton überall. Von dem Gesang der Kontrabassgruppe über die Vogelstimmen der Holzbläser, die sich vor dem schattenhaften Scherzo einprägen, bis zu Toru Yasunagas Soli und charmantem Führungsstil an der Spitze der ersten Violinen, von dem "Hervortreten" des gefeierten Hornisten Stefan Dohr bis zu dem kleinen feinen Zwiegesang der Oboisten Schellenberger und Wittmann spielen die Musiker ihrem Chef mit erhöhter Konzentration zu.

Willkommen und Abschied: Die neue Solobratschistin Danuta Waskiewicz erweist sich mit resoluter Tonschönheit als hochbegabte Entdeckung; Hansjörg Schellenberger, schwer wegzudenken aus dem Orchester, hat sich entschieden, freischaffender Musiker zu werden.

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