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Kultur: Gut gebrüllt, Löwen

Charmanter Rumpelrock aus dem Bible Belt: Das zweite Album der Kings of Leon

Skeptische Geister witterten einen großen Rock’n’Roll-Schwindel, als die Kings of Leon letztes Jahr zum nächsten heißen Ding ausgerufen wurden: Wie ein zu gut ausgedachter PR-Coup klang die Geschichte von den drei Söhnen des Wanderpredigers Leon Followill, die in kleinen Südstaaten-Kirchen das Musizieren erlernten, um dann zusammen mit ihrem Cousin eine auf Anhieb erfolgreiche Band zu gründen. Dazu sahen die vier schlacksigen Kerle auch noch aus, als hätte man sie aus der Statisten-Riege des Rockfilms „Almost famous“ abgeworben. Waren die Kings of Leon die erste gecastete Band des Garagenrocks? Der Berliner Auftritt von Caleb, Nathan, Jared und Matthew Followill im vergangenen Winter sprach eher dagegen: Die Gitarren fast unterm Kinn, die Augen stets auf die Instrumente gerichtet, spielten sie ein mäßig inspiriertes Set. Hätten diese steifen Jungs andere T-Shirts getragen und etwas weniger Haare gehabt – sie wären problemlos als Kirchen-Combo durchgegangen.

Ob das Teil der perfekt unperfekten Inszenierung war, ist letztlich egal. Denn musikalisch haben die vier 17- bis 25-jährigen Burschen einiges zu bieten: Ihr 2003 erschienenes Debüt „Youth & young Manhood“ (RCA/BMG) beeindruckte durch eingängigen Seventies-Rock mit Blues- und Boogie-Spurenelementen, der von der englischen Musikpresse euphorisch gefeiert wurde. Das führte dazu, dass die Kings of Leon mit ihrer zutiefst amerikanischen Musik auf der britischen Insel zunächst bekannter waren als in ihrer Heimat. Ähnlich war es zuvor schon den Stokes ergangen, mit denen das Quartett aus Tennessee fortan verglichen wurde – „The Southern Strokes“ wurde sein zweiter Bandname.

Anders als ihre New Yorker Kollegen haben die Kings of Leon ihre zweite Platte schnell nachgelegt. Als sie im Januar von ihrer Tour zurückkamen, schrieben sie in vier Wochen zwölf neue Songs. Es folgten fünfwöchige Studioaufnahmen in Los Angeles, bei denen sie wieder mit dem Produzenten Ethan Johns sowie ihrem Freund Angelo Petraglia zusammenarbeiteten. Der Sound von „Aha Shake Heartbreak“ (RCA/BMG) knüpft direkt an den charmanten Rumpelrock ihres Debüts an. Gleichzeitig spürt man den Willen der Band, nicht einfach „Youth & young Manhood“, Teil zwei vorzulegen. So überraschen die Followills im ersten Song mit einem latinohaften Percussion- und Piano-Abgang, bauen immer wieder interessante Tempiwechsel ein und trauen sich persönlichere Texte zu. Am weitesten gehen sie in zwei langsamen Stücken: „Day old Blues“ wird innerhalb von zwei Sekunden aus einer murmelnd-depressiven Atmosphäre in groteske Euphorie überführt. In „Milk“ entsteht eine vielschichtige Klanglandschaft von ungeahnter Zartheit, in der Sänger Caleb Followill seine Ausnahmestimme voll zur Geltung bringt. Zunächst klingt er wie ein junger Hund, der beleidigt im Hof herumjault, dann fängt er sich und gleitet auf der Basslinie in einen treibenden Erzählstrom. Calebs nölige Stimme ist die Attraktion der Kings of Leon. Die Band weiß das und widmet sich ganz ihrer Unterstützung – eine gute Taktik, die man zum Beispiel im dynamischen „King of the Rodeo“ hören kann.

Leider gibt es aber auch eine Reihe von Hängern auf „Aha Shake Heartbreak“: Stücke wie „Razz“ oder „For Kicks“ retten sich mit wenig originellen Ideen über ihre zwei Minuten Laufzeit. Da helfen auch keine effektvollen Bremsungen oder Mini-Soli mehr. Der Versuch unverfälscht zu klingen, kippt in Stumpfheit. Hier merkt man der Platte an, dass sie schnell entstand und eine kaum gefilterte Reaktion auf die jüngsten Erlebnisse der Band ist: „Da ist alles drauf, was wir in den letzten Monaten so aufgelesen haben, die Musik, die wir gehört haben, die lange Tour, die Mädchen, die wir getroffen haben, und die Freundschaften, die wir geschlossen haben“, erzählte Caleb Followill dem Rolling Stone.Und so erinnert „Aha Shake Heartbreak“ mitunter an einen Dia-Abend, bei dem der Weltreisende vergessen hat, dass Schnappschüsse von italienischen Märkten oder verwackelte Sonnenuntergänge nicht unbedingt geeignete Motive sind, um das Publikum in freudiges Staunen zu versetzen. Aber vielleicht sollte man das von vier Halbstarken, die zum ersten Mal außerhalb der USA unterwegs waren, auch gar nicht verlangen.

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