zum Hauptinhalt

Kultur: Haarige Zeiten

Kürzlich habe ich mich mit Freunden in eine Namensdiskussion verstrickt. Wir wollten einen Firma gründen.

Kürzlich habe ich mich mit Freunden in eine Namensdiskussion verstrickt. Wir wollten einen Firma gründen. Irgend so ein hippes Neues-Medien-Ding, mit dem wir in ein paar Jahren doch noch den Neuen Markt retten können. . Über die Namensdiskussion sind wir nicht hinaus gekommen. Fast wie zu Schulzeiten - als wir Bands gründeten und nie dazu kamen zu üben, weil wir uns schon über der Namensgebung zerstritten. Ist man erst einmal erfolgreich, kann man ruhig Aldi, Edeka oder Grieneisen heißen. Bei allen anderen aber muss der Name aufmerken lassen. Unübertroffen scheint dabei eine Berufsgruppe, von der man es zunächst kaum erwartet: die Friseure.

Seit einigen Jahren ist bei den Coiffeuren das Wortspiel in Mode. Sie kalauern sich durch ihre Geschäftsnamen, als gelte es ein Kabarettprogramm für Martin Buchholz zu schreiben. So findet man im Branchenbuch Berlins drei Hairlines, einen Hair-way und einen Hairport. Haareszeiten gibt es vier; man findet Hairtists, Hairfidelity einen Haarem; es gibt die Schnittlinie, die Schnittstelle, den Schnittpunkt, Hin & Hair, Hair & Mehr.

Vielleicht meint der Zentralverband des deutschen Friseurhandwerks dies, wenn er unter der Überschrift "Qualitätsoffensive" postuliert: "Der moderne Friseur ist Kaufmann und Künstler zugleich." Rechtschreibung ist egal. Da darf man HAIRlich schreiben oder auch Haricane, ja sogar hairline. Mag der Kunde es aussprechen, wie er will.

Der Zweck heiligt die Mittel, jede noch so krude Konnotation wird eiligst ausgeschlechtet: Willkommen bei Haarakiri, Platz nehmen zum Kaiserschnitt! Es kommt eben auf die headline an. Sie muss creHAARtiv sein, und - über kurz oder lang - Atmosphair vermitteln, Hair Flair eben. Damit die zahlungskräftige Hairsociety kommt.

Dabei ist Berlin nur die Hairspitze einer bundesweiten Bewegung. Ein Blick ins "Figaroverzeichnis" - ja, das heißt wirklich so! - im Intenet zeigt jedenfalls: In Mönchengladbach-Rheydt gibt es Chaarisma, In Uhldingen-Mühlhofen sitzt ein Haaristocrat, Lindau am Bodensee ist Monika Schweizer die Chefin von Haaribo. Auf Annemarie Gänsemantels Idee kam sie nicht: Ihr Mannheimer Laden heißt Haaribeau.

Wer geschäftlichen Erfolg haben will, muss sich aus der Masse der 55 000 selbstständigen Friseurbetriebe herausheben. Durch Qualität oder wenigstens durch einen Hingucker auf dem Ladenschild: Aber es gelingt in den wenigsten Fällen. Allein in Berlin heißen fünf Friseure Haarscharf, sechs Haargenau. Bundesweit gibt es 40 Haarscharf und 43 Haargenau. Dazu kommen 30 mal Haarlekin und 40 mal Haarmonie. Die Dunkelziffer geht in die Hunderte.

Welch ein Glück für die Haarkünstler, dass Friseur- nicht wie Domainnamen nur einmal vergeben werden. Meine Freunde und ich haben den Plan von der New-Economy-Firma nämlich inzwischen wieder aufgegeben. Alle unsere Namensideen waren im World Wide Web bereits vergriffen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false