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Kultur: Handarbeiter

Asta Grötings Ausstellung bei Carlier Gebauer

Der erste Eindruck ist phänomenal. Gleich Dinosauriern stehen sie da, eine Armada alter Werkbänke, wie es sie heute wohl kaum noch in der Produktion gibt. Schwere Gerätschaften auf groben Tischen, die Spuren der Zeit haben sich in die Oberflächen geschliffen. Hieran wurde noch mit Hand gearbeitet. Die Kunst kehrt zu ihren Ursprüngen zurück, als der Künstler tatsächlich noch werkte. Auch die Galerie mutiert damit zu jener Werkhalle, die sie einmal gewesen ist, wie das Sheddach bei Carlier Gebauer noch heute verrät.

Asta Gröting dreht die Zeit zurück und öffnet damit den Blick für die Gegenwart. Die vierzehn Werkbänke, die sie in der Galerie zusammenträgt, stehen für jeweils einen Künstler, dessen Vater oder Mutter einst daran arbeitete. Ihre Präsentation gleicht einer Familienaufstellung: Jeder Arbeitsplatz erzählt die Geschichte einer Herkunft, nicht zuletzt eines künstlerischen Anfangs. Es mag Zufall sein, aber alle ausgewählten Künstler sind Bildhauer, deren Vorfahren Handwerker waren. Darüber hinaus hat diese eindrucksvolle Präsentation für Asta Gröting tatsächlich etwas von einer Familienkonstellation, denn die versammelten Werkbänke stammen von Eltern ihr nahestehender Künstler. Auch der Zeichentisch ihrer Mutter ist zu sehen, die seit den fünfziger Jahren als Hochbaukonstrukteurin in Dortmund arbeitete: ein enormes Gerät mit gewaltigen Kilogewichten auf Kniehöhe zur Sicherung des Gleichgewichts. Einer Tentakel gleich ragt die Führung für die Präzisionsmaschinen in die Höhe. Wie ein echtes Gegenüber steht dieser Konstruktionstisch vor dem Ausstellungsbesucher, der mit einer Mischung aus Neugier und Respekt darin Hinweise auf das Werk von Asta Gröting zu finden sucht.

Die Künstlerin hält es da mit Karl Marx, der im „gegenständliche(n) Dasein der Industrie das aufgeschlagene Buch der menschlichen Wesenskräfte, die sinnlich vorliegende menschliche Psychologie“ sah. Das passt, denn in gewisser Hinsicht ist Asta Gröting eine Psychologin der Kunst, die den Dingen auf den Grund zu schauen sucht. Ihre Ausstellung im Neuen Berliner Kunstverein vor einem Jahr konnte auch wie eine Versuchsanordnung gelesen werden: Zwischen zwei Kabelenden blitzte immer mal ein elektronischer Kontakt auf, und winzige Silberkugeln bewegten sich durch Magnetkraft auf einem Tisch hin und her. Anziehung, Abstoßung – die großen Wirkmächte zwischenmenschlicher Beziehung – fanden hier ihren bildhauerischen Ausdruck. Mit den Werkbänken betreibt Asta Gröting einerseits Ahnenforschung. Andererseits bringt sie das künstlerische Schaffen auf das Wesentliche zurück. Nicola Kuhn

CarlierGebauer, Markgrafenstraße 67, bis 23. April, Di–Sa 11–18 Uhr.

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