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Kultur: Handke im Haag

Der Dichter hält Gericht über das Milosevic-Tribunal. Sein jüngster Essay erregt einmal mehr Widerspruch

Von Caroline Fetscher

Da stand er im Mantel auf dem Steinboden im Foyer des Den Haager Jugoslawien-Tribunals. Blass, ein wenig verloren wirkend und auf wehmütige Weise arrogant. Ja, Peter Handke. Nicht zum ersten Mal besuchte er in diesem Februar den Ort, an dem „die Untaten auf dem Balkan gesühnt“ werden sollen. Das teilt uns Handke nun in einem über knapp 20 Seiten mäandernden Text im Magazin der „Süddeutschen Zeitung“ mit. „Und wer nimmt mir mein Vorurteil?“: Mit dieser Frage hat der Autor den Essay überschrieben. Am Ende der Lektüre weiß der Leser die Antwort: keiner. Niemand wird dem Dichter sein Vorurteil nehmen können.

Peter Handke hat gewiss ein Recht darauf, zu meinen und zu glauben, was seinem Seelenfrieden dient. Wie jeder Sektierer darf er seine Meinung sagen, und wer möchte, kann darauf beharren, serbische Streitkräfte und Staatschefs stünden zu Unrecht unter Verdacht, beschuldigt von einem gigantischen hegemonialen Apparat. In Handkes Augen hat diese globale Maschine viele Zahnrädchen: Der Westen und das Internationale Strafrecht gehören dazu, die Uno, die Mäzene demokratischer Projekte wie „der Welt größter Börsenspekulant“ (gemeint ist George Soros), Professoren wie der die Nato-Intervention im Kosovo erörternde Habermas (hier: „Jürgen H.“), sowie pompöse, sich selbst inszenierende Ankläger und Richter aus England, Jamaika, der Schweiz oder Südkorea, Zeitungen wie „Le Monde“ und „Libération“, die vielen Radio- und Fernsehleute oder auch ein „zum Niedermachen, Zerstören und Vernichten begabter deutschsprachiger Kritiker“. Sie alle bleiben, bis auf den abgekürzt zitierten Denker, nlos, man muss sie wie im Kreuzworträtsel entschlüsseln. Handke hält sie nicht für wert, dass ihre Namen genannt werden, weil sie „durch den Stand der Dinge schon verschworen“ sind, da bedarf es keiner Verschwörungstheorie oder gar Beweise derselben.

Schafe bei Prizren

Auf dieser langen Farbstrecke, wie man dass Textformat in Magazinen gewöhnlich nennt, begleiten uns Bilder der Unschuld – Impressionen aus einem verlorenen Serbien, einem verschwundenen Jugoslawien. Wasserfälle, Kiefernwäldchen, Felsformationen: die Urgewalt der Natur, von der Handke in Den Haag nur Reste findet, Krokusse etwa und Gräser. Nein, keine Balkanklischees und keine Kriegsbilder stören den lyrischen Ausflug, und vom Kosovo sieht man keine panischen Flüchtlingstrecks, sondern eine brave „Schafherde bei Prizren“.

Von Mirjana Markovic spricht Handke: von der liebenden Gattin des Angeklagten, über die sich die Medien lustig machen, weil sie ihren inhaftierten Mann „schöner denn je“ findet. Sie hatte allerdings hinzugefügt: „Die Ankläger sind hässlich, weil sie böse und unmenschlich sind. Slobodan Milosevic jedoch gehört zu den schönen Menschen, den allerschönsten.“ Das wird von Handke nicht mitzitiert. Elliptisch indes umkreist der Text auch sein eigentliches Hauptthema: Peter Handkes „Bericht" vom Milosevic-Prozess, wie auf dem Titelblatt angekündigt, ist auf wenige Zeilen zusammengeschnurrt, in denen der Angeklagte ein wenig Würde erhalten soll. Gelassen spielt Milosevic „das Spiel“ mit, bei dem ihm präparierte albanische Zeugen vorgesetzt werden, die ihn angrinsen, offenbar frech. Und diese Albaner, die im Kosovo jahrelang serbische Polizisten ermordeten, erhalten vom Tribunal bessere Hotelzimmer als serbische Zeugen, die in einer Absteige nächtigen müssen. Das hat Handke selbst erlebt.

Der junge Engländer dort

Was Milosevic selbst zu sagen hat, etwa seine Erklärung für das Massaker von Srebrenica, das „französische Söldner im Auftrag der Nato“ verübt haben sollen, muss gar nicht erwähnt werden. Nur, wie er, als Litanei, die Namensliste der Opfer der Nato-Bomben verliest, Fakten über Fakten, das findet sich bei Handke wieder. Am Ende bietet der Dichter, nachdem viel vom „slawischen Volk“ und anderem Völkischen die Rede war, einen Ausweg aus dem schweren Unrecht der Haager Rechtstravestie: Wenn die Untaten auf dem Balkan schon von jemandem gesühnt werden müssten, warum dann nicht „von dem nicht mehr jungen Vorsitzenden Engländer dort, der fast sein Leben lang, bevor es ihn mit den jugoslawischen Wirrsalen konfrontierte, so etwas wie ein Bezirksrichter, Circuit Judge, ich glaube im Midland, war (...)?“

Hm. Wie gesagt, jeder hat das Recht auf seine Ansichten, Ressentiments, Vorurteile, all das. Warum aber, wenn das schon gedacht und gesagt werden darf, muss es gedruckt werden? Nicht in einem Sektenblatt, sondern in einer erstklassigen Zeitung? Deren Feuilleton, so heißt es, soll den Abdruck abgelehnt haben. Da hätte es allerdings auch keine Farbfotos gegeben, neben diesem grauen, krausen Text.

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