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Kultur: Hans Albers lässt grüßen: Waterkant-Jazz von "Ich schwitze nie"

Melodien, so biegsam wie Knetmasse. Harmonien so wohlig wie ein Frotteebademantel.

Melodien, so biegsam wie Knetmasse. Harmonien so wohlig wie ein Frotteebademantel. Kann denn das überhaupt erträglich sein? Ja, wenn es Lars Rudolph tut, der den meisten in erster Linie als Schauspieler bekannt sein dürfte. Dabei hat er sich vorher einen Namen als Musiker gemacht, der mit seiner Trompete quer gegen den Wind bläst, sei es mit alten Freejazz-Hasen wie Peter Brötzmann und Cecil Taylor oder seinen Freistilbands "Kixx" und "Stan Red Fox", mit denen er sich bereits als Nervensäge profilieren konnte, bevor er sich mit dem Schlagzeug-Elektroniker Hanno Leichtmann und dem Cellisten Friedrich Bussmann unter dem coolsten aller Bandnamen im deutschen Popbusiness zusammenfand, um vom Aussterben bedrohte Schunkelmelodien alter Seemannslieder in die Jetztzeit zu retten.

"Ich schwitze nie" nennt sich die Schiffskapelle, in uns Lars Rudolph seit fünf Jahren mit seiner kaputten Ergriffenheitsstimme und wunderschön ausdifferenziertem Trompetenspiel als famose Kreuzung aus Chet Baker und Hans Albers begegnet. Ein Retter des Sehnsüchtigen in der Musik, der als Marine-Kapitäns-Sohn in norddeutschen Küstenstädten aufgewachsen ist und sich schon frühzeitig für "diese Mischung aus Puff-Unterhaltung und Easy-Listening-Clubmusik" begeisterte. Weshalb es fast zwangsläufig zu einer "Kitschverarbeitung" kommen mußte, die man zu seiner Freude mal als "die Erfindung des elektrischen Chansons" bezeichnet hat. Auch auf ihrem aktuellen Album "Billige Flaggen" schaukelt das Trio geschmackssicher zwischen aufgeräumter Parodie und respektvoller Interpretation, umschippert souverän bekannte Sehnsuchtsmelodien und nähert sich dabei immer wieder der Schleusenkammer für Improvisationsübungen, wo Tonordnung in Klangchaos zerbröselt - als Happy-End-Kitsch-Verhütungsmaßnahme. Zwei Dinge fallen besonders auf: Erstens sind sie diesmal nicht an "La Paloma" vorbeigekommen. Zweitens tauchen zwei Titel von "Sun Ra" auf, von denen besonders die Version von "Love in Outer Space" auf: "Freunde der Sehnsucht, wo steckt die Liebe? Hinter der Venus? In meinem Herz?", singt Rudolph so wund und danebenher, dass es einen schlicht aus den Socken hebt.

Als Stärkung vor dem Konzert in der Volksbühne sei eine Portion "Möwenschiss" empfohlen. Das Rezept ist auf ihrem Debütalbum "Träume der Sehnsucht - lockender Rhythmus" nachzulesen: Man nehme 4 Centiliter Korn und 50 Gramm gekörnte Leberwurst. Eine Seefahrt mit "Ich schwitze nie", das ist garantiert, ist immer lustig. Prost!Ich schwitze nie spielen am Ostermontag in der Volksbühne, 20 Uhr

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