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Kultur: Hans Makart: Im Dürerkostüm über die Ringstraße

Der Name des Wiener Malers Hans Makart ist heute kaum noch geläufig. "Er macht jetzt jene gewisse Zeit nach dem Tode durch, wo der Mensch wirklich tot ist, nichts weiter als tot", schrieb im Jahr 1900 der Kritiker Ludwig Hevesi, der Herold der damals in ihrer Blüte stehenden "Secession".

Der Name des Wiener Malers Hans Makart ist heute kaum noch geläufig. "Er macht jetzt jene gewisse Zeit nach dem Tode durch, wo der Mensch wirklich tot ist, nichts weiter als tot", schrieb im Jahr 1900 der Kritiker Ludwig Hevesi, der Herold der damals in ihrer Blüte stehenden "Secession".

Er schrieb dies nicht abfällig, sondern erkannte - sechzehn Jahre nach Makarts frühem, epochentypischen Syphilistod im Alter von nur 44 Jahren -, was an der als bloße Dekoration geschmähten Kunst Makarts von Wert und bleibender Leistung war. Nur seine Schlussfolgerung, "Später einmal kommt die Auferstehung", hat sich nicht bewahrheitet.

So ist die Ausstellung, die das Historische Museum der Stadt Wien in der "Hermesvilla" draußen im Lainzer Tiergarten zeigt, keine Wiederbelebung, sondern nur mehr eine Erinnerung; ohne Häme, doch mit ironischer Distanz inszeniert. Makart ist Vergangenheit, doch keine, derer sich die Gegenwart länger schämen müsste.

Die Hermesvilla hatte Kaiser Franz Joseph 1884 seiner "Sisi" geschenkt, und Makart antwarf noch die Wandgemälde, die er dann nicht mehr ausführen konnte. So ist dies der kongeniale Ort für die Erinnerung an einen Künstler, der das Glück hatte, den Sehnsüchten einer Epoche Gestalt geben, ja sie überhaupt erst formen zu können. Ohne diese Koinzidenz ist sein märchenhafter Aufstieg zum Malerfürsten schlechthin nicht zu verstehen. Im Alter von 29 Jahren wurde Makart, der eben in München als Historienmaler auf sich aufmerksam gemacht hatte, 1869 nach Wien berufen. Die Habsburgermonarchie hatte ihre tiefste Krise nach der Niederlage gegen Preußen gerade hinter sich und schickte sich an, ihre Hauptstadt zur Metropole auszubauen. Das mittelalterliche Wien wurde von seinen Mauern befreit, die Ringstraße und die gigantischen Bauvorhaben auf dem bisherigen Glacis wurden eben geplant, und Makart versprach, dem Ausstattungsbedarf der Großbourgeoisie gerecht zu werden. Makart erhielt auf Staatskosten (!) ein eigenes Ateliergebäude, das er über und über mit Antiquitäten, Palmwedeln und Musikinstrumenten zur Bühne seiner - nebenbei des Nachmittags öffentlichen - Selbstdarstellung ausstaffierte. In den fünfzehn Jahren bis zu seinem frühen Tod gab Makart den Damen der Gesellschaft als gesuchter Portraitist nicht nur Gesicht, sondern zugleich standesgemäßes Auftreten, hinter dem das nur eine Generation ältere Wiener Biedermeier als wahrlich biedere Zeit versank.

Makart orientierte sich an den Staatskünstlern der älteren Habsburger, an Tizian oder Tintoretto (deren Bilder zu seiner Zeit im Neorenaissance-Neubau des Kunsthistorischen Museums der bürgerlichen Öffentlichkeit zuteil wurden). Aber er orientierte sich nur, er ahmte nicht etwa nach. Denn - so Hevesi - "Makarts malerische Handschrift ist schon ganz fin de siècle." Und es ist dieser einzigartige, mit seinem Tod denn auch verlöschende "Makartstil", der die Ringstraßenepoche kennzeichnet.

Die Wiener Ausstellung zeigt nur einen schmalen, gleichwohl repräsentativen Ausschnitt aus dem nicht weniger als 675 Arbeiten umfassenden µuvre. In einem Saal sind die Bildnisse der Damen "von Stand" vereint, die bei aller Stilisierung von eben jener geradezu schamlosen Direktheit sind, die idealistische Malerkollegen wie Makarts Akademie-Kollege Anselm Feuerbach mit Verachtung straften. In der vergleichsweise kleinräumigen Hermesvilla nicht optimal präsentiert werden kann das Sensationsbild "Venedig huldigt Caterina Cornaro", vier mal zehn Meter messend und ein unvergleichlicher Erfolg bei der Wiener Weltausstellung von 1873. Die leichtbekleideten Wesen im Vordergrund tragen die Gesichter eben jener Damen, die Makart gegen teures Geld konterfeite. Das Folgebild, 1878 für Paris gemalt, ist der "Einzug Karls V. in Antwerpen". Venedig und Antwerpen, Renaissance und Barock, Veronese und Rubens gehen in Makarts µuvre jenes stimmungsmäßige Amalgam ein, das den Unterschied zum wissenschaftlich gesicherten Historismus ausmacht. Makart war im Vergleich zu den Historisten, etwa den Ringstraßenarchitekten, wenn schon kein Moderner, so doch im Wortsinne ein Zeitgemäßer.

Den Höhepunkt seines Ruhms bezeichnet der historische Festzug zur Silberhochzeit der kaiserlichen Majestäten im Jahr 1879. Makart entwarf die Festwagen aller Berufsgruppen, die daran in fantasievoller, irgendwie dürerzeitlicher Aufmachung teilnahmen. Ob Metallbau oder Eisenbahn, für alle "Stände" fand Makart sprechende Bilder. Die mit effektsicherer Hand skizzierten Entwürfe der Festgruppen - einheitlich 64 mal 285 Zentimeter messende Ölskizzen - bilden den Hauptteil der jetzigen Ausstellung, ergänzt um Hunderte von Fotografien, in denen sich viele der 2000 kostümierten Teilnehmer des Festzuges für die Nachwelt festhalten ließen. "Er kostümierte das ganze Leben als Märchen", so nochmals Hevesi: "So lange er lebte, sollte das Jahr 365 Tage und 1001 Nächte haben."

Die malerische Finesse ist gleichwohl nicht zu übersehen. Makarts suggestive Wirkung fußte auf einem schlafwandlerisch sicheren Umgang mit der Farbe. Er war ein begnadeter Kolorist - und zugleich Gefangener des Erfolges, der ihm unentwegt neue Dekorationsstücke abverlangte. Die Träume, denen er darin verkleidete Gestalt gab, sollte der 16 Jahre jüngere Freud 1900 enträtseln.

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