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Kultur: Harry Potter: www.nicht-auf-deutsch.de

Harry Potter ist ein Phänomen. Seit dem Erscheinen des ersten Bandes 1997 wurden die Abenteuer des englischen Zauberlehrlings in 30 Sprachen übersetzt, stürmten weltweit die Bestsellerlisten, machten ihre mittlerweile 34-jährige Schöpferin Joanne K.

Von Susanna Nieder

Harry Potter ist ein Phänomen. Seit dem Erscheinen des ersten Bandes 1997 wurden die Abenteuer des englischen Zauberlehrlings in 30 Sprachen übersetzt, stürmten weltweit die Bestsellerlisten, machten ihre mittlerweile 34-jährige Schöpferin Joanne K. Rowling zur Multimillionärin und animieren nach wie vor unzählige Fans zu Paraden, Parties und Aktivitäten im Internet.

Einen nie gekannten Rummel löste die Veröffentlichung des vierten Bandes, "Harry Potter and the Goblet of Fire" (Harry Potter und der Feuerkelch), aus. Bis zum 8. Juli, dem Erscheinungstermin der englischsprachigen Ausgabe - die mit einer Auflage von einer Million in Großbritannien und 3,8 Millionen in den USA sämtliche Rekorde bricht -, galt allerstrengste Geheimhaltung, was das Interesse ernorm anstachelte.

Derweil hüpfen die deutschen Potterfans vor Ungeduld von einem Fuß auf den anderen, denn die deutsche Ausgabe kommt erst am 14. Oktober auf den Markt. Auf der Homepage www.harry-auf-deutsch.de liest sich das so: "Ganz Deutschland wartet gespannt auf den vierten Band mit Harry Potters Abenteuern. Glücklich sind im Moment nur diejenigen, die im Englischen fit genug sind, um die Original-Ausgabe zu lesen". Für das Heer der Unglücklichen, die des Englischen nicht mächtig sind, gibt es einen Countdown, der momentan bei 43 Tagen steht.

Betreiber der Adresse ist der 45-jährige Berliner Informatiker Bernd Koelemann. Der hatte sich überlegt, wie die deutschen Fans schon vor der Buchveröffentlichung an die neuesten Geschichten von Harry und seinen Freunden kommen könnten: Er rief dazu auf, "Harry Potter and the Goblet of Fire" zu übersetzen. Ruckzuck meldeten sich Schüler und Studenten; die jüngste "Übersetzerin" sei erst zwölf Jahre alt gewesen.

Das ging nicht lange gut. Am 15. August bekam Koelemann Post vom Hamburger Carlsen Verlag, der die Rechte für die deutschen Harry-Potter-Ausgaben besitzt. Mit der Aufforderung im Internet, das noch unveröffentlichte Buch ins Deutsche zu übertragen und dem Angebot, die übersetzten Teile herunterzuladen, verstoße er sowohl gegen das Urheber- als auch das Wettbewerbsrecht. Nachdem Koelemann nicht reagierte, folgte am 24. August eine Einstweilige Verfügung vom Landgericht Hamburg, das ihm eine Strafe von 500 000 Mark androhte. Mittlerweile sind die Übersetzungen gelöscht, der Wettbewerb ist ausgesetzt.

Koelemann ist sich keiner Schuld bewusst: "Das kam doch etwas überraschend. Schließlich war mit dem Wettbewerb kein Profit angestrebt". Sein Ziel sei einfach der Spaß am Buch und am Englischen gewesen; die Übersetzungen seien weder einheitlich gewesen, noch habe eine hohe Qualität überhaupt angestrebt werden können. Die Idee hält er für einen "Selbstläufer", der sich auch ohne sein Zutun weiterentwickeln könne. Der Carlsen Verlag ließ unterdessen wissen: "Der Verlag nimmt das Urheberrecht der Autorin Joanne K. Rowling auf ihren ausdrücklichen Wunsch hin wahr und wird Versuche, dieses zu ignorieren, auch künftig nicht zulassen".

Die schwer kontrollierbaren Möglichkeiten des Internet machen die Zeit zwischen 8. Juli und 14. Oktober zu einer Zitterpartie für den Verlag, der neben dem eigenen Geschäft tatsächlich die Urheberrechte seiner Autoren zu schützen hat. Wenn ein Bestsellerautor wie Stephen King es vorzieht, seine Werke gegen einen Dollar zum Download freizugeben, fragt man sich, ob Bücher auf Papier überhaupt Zukunft haben. Und ob die Diskussion um die Buchpreisbindung nicht ein Kampf auf dem falschen Schauplatz ist.

Andererseits - wer schon einmal Druckfahnen oder kopierte Texte lesen musste, weiß, wie wenig Freude das Hantieren mit sperrigen, eselsohrigen, einzeln herumfliegenden Blättern macht. Der neue Harry Potter wird auf Deutsch ungefähr auf 800 Seiten kommen: Kann der von verschiedenen nichtprofessionellen Übersetzern zusammengestoppelte Text (der ausgedruckt mehr kosten würde als der angekündigte Ladenpreis von 44 Mark) da mithalten? Wohl kaum. Viel stärker gefährdet sind sicherlich die Urheberrechte von Autoren und Übersetzern kürzerer Texte, bei denen es nicht auf eine bibliophile Aufmachung oder gut formulierte Übertragung ankommt. Einerseits kann man eine Initiative wie die von Bernd Koelemann, die anmutet wie ein erweitertes Schulprojekt, an dem die Teilnehmer Spaß haben, sympathisch finden. Andererseits muss das Recht der Urheber geschützt bleiben. Aus diesem Grund bleibt dem Verlag gar nichts anderes übrig, als mit drakonischen Maßnahmen zu reagieren.

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