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Kultur: Haushaltsdefizit: Einer wird verlieren - Warum die Berliner Taktik vielleicht nicht aufgehen wird

So viel ist klar: Im bevorstehenden Bundestagswahlkampf wird sich Kanzler Schröder (SPD) von der Opposition nicht vorwerfen lassen müssen, seine Regierung habe sich von der EU-Kommission in Brüssel mit einem blauen Brief kritisieren lassen. Gemeinsam mit Finanzminister Eichel ist es Schröder gelungen, die EU-Finanzminister und auch die Kommission davon zu überzeugen, auf ein "early warning" zu verzichten.

Von Antje Sirleschtov

So viel ist klar: Im bevorstehenden Bundestagswahlkampf wird sich Kanzler Schröder (SPD) von der Opposition nicht vorwerfen lassen müssen, seine Regierung habe sich von der EU-Kommission in Brüssel mit einem blauen Brief kritisieren lassen. Gemeinsam mit Finanzminister Eichel ist es Schröder gelungen, die EU-Finanzminister und auch die Kommission davon zu überzeugen, auf ein "early warning" zu verzichten. Ob das wirklich ein politischer Erfolg für die Haushaltspolitiker in der Sozialdemokratie ist, bleibt abzuwarten.

Eichel musste nämlich in Brüssel ein Versprechen geben: Bis 2004, so der Kompromiss, wird Deutschland alles dafür tun, das gesamtstaatliche Defizit auf Null zurückzuführen. Das heißt: Deutschland muss sich in Zukunft noch weit stärker als bisher mit öffentlichen Ausgaben zurückhalten - im Bund, bei den Ländern und Kommunen und bei den Sozialversicherungen. Grafik: Der blaue Brief Zwar besteht noch Hoffnung, dass die Konjunktur sehr schnell wieder anspringt und mehr Steuern in die öffentlichen Kassen spült. Doch die Wahrscheinlichkeit, dass Unternehmen und Privatpersonen in den nächsten Jahren viele Steuern zahlen werden, ist eher unwahrscheinlich. Eichel wird die Sparschraube also weiter anziehen müssen. Schon weist er darauf hin, dass es "keine ausgabewirksamen Sonderausgaben" mehr geben kann. Auch vorgezogene Steuersenkungen "sind nicht mehr drin".

Angespannte Lage

Doch selbst wenn sich der Finanzminister bei der Aufstellung des Bundeshaushaltes diszipliniert zeigt, es gibt noch andere Unwägbarkeiten. Die Haushalte in Ländern, Kommunen und Sozialversicherungen sind bereits jetzt so angespannt, dass weitere Einsparungen schwer werden. So verweist etwa der Baden-Württembergische Finanzminister Gerhard Stratthaus (CDU) darauf, dass in seinem Haushalt kaum mehr Platz für Sparmaßnahmen sei. Die Länder und Kommunen würden immer mehr Aufgaben für den Bund übernehmen, ohne angemessen an den Steuereinnahmen beteiligt zu werden. Um den Streit zu schlichten, sagt der Kieler Volkswirt Horst Siebert, benötigt Deutschland deshalb einen "nationalen Stabilitätspakt".

Zermürbender Bund-Länder-Streit

Eichel, so fordert es Siebert, der auch Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ist, müsse die Länder dazu bewegen, sich einer Selbstverpflichtung für ihre Verschuldung zu unterwerfen. Und damit sich auch alle daran halten, schlägt Siebert vor, diese Verpflichtung auch im Grundgesetz niederzuschreiben. Der Sachverständigenrat hatte bereits vor sechs Jahren darauf gedrungen, im Grundgesetz den Passus aufzunehmen, "die Länder orientieren sich in ihrer Haushaltspolitik an den Erfordernissen des Maastrichter Vertrages". Doch die Bundesländer haben dies bisher mit dem Hinweis, dass sie autonom in ihrer Haushaltsgestaltung sind, abgelehnt.

Nun sieht es zwar so aus, als wollte Bundesfinanzminister die Diskussion neu beleben. Am Dienstag kündigte er an, baldmöglichst mit den Ländern darüber sprechen zu wollen. Doch mit dieser Diskussion läuft Eichel Gefahr, in einen zermürbenden politischen Streit mit den Bundesländern zu geraten. Schon weist der deutsche Städtetag darauf hin, dass "die Finanzlage vieler Städte dramatisch ist, die Einsparpotenziale ausgeschöpft sind". Und der CSU-Haushälter Bartholomäus Kalb nennt die Absichtserklärung eines ausgeglichenen Staatshaushalts bis 2004 "einen Pyrrhus-Sieg" für Eichel.

Der Berliner Volkswirt Jürgen Kromphardt glaubt denn auch, die Bundesregierung hätte sich einen größeren innenpolitischen Gefallen getan, wenn sie den blauen Brief der EU-Kommission klaglos hingenommen und anschließend an die Bundesländer weiter gereicht hätte. Durch die Ablehnung des Briefes, sagt Kromphardt, "hat sich der Bundeskanzler politisch selbst unter Druck gesetzt".

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