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Kultur: Haut ab

Shalom Auslander über die Frage der Beschneidung.

Die Diskussion um die Illegalität der Beschneidung von Jungen treibt Moslems wie Juden auf die Barrikaden. Dieter Graumann vom Zentralrat der Juden klagte sogar, dass jüdisches Leben in Deutschland praktisch unmöglich werde, wenn das Ritual, das Neugeborene laut Bibel dazu ausersieht, am achten Tag in den abrahamitischen Bund einzutreten, endgültig verboten werde. Shalom Auslander, der 1970 in Monsey, New York, geborene Sohn einer orthodoxen Familie, würde über eine solche Schriftgläubigkeit auf Biegen und Brechen nur spotten. Er bezieht seine Identität aus dem Kampf mit einem Gott, den er angesichts himmlischer Sintfluten und Hungersnöte für gewalttätiger hält als Adolf Hitler. Davon erzählen seine Erinnerungen „Eine Vorhaut klagt an“, die mit den Storys „Vorsicht, bissiger Gott“ und der für 2013 angekündigten deutschen Übersetzung seines ersten Romans „Hope“ zum Bissigsten gehören, was die jüdisch-amerikanische Literatur zu bieten hat. Mit freundlicher Genehmigung des Berlin Verlags/Bloomsbury dokumentieren wir einen Auszug aus Eike Schönfelds Übersetzung der Erinnerungen, die im Taschenbuch noch lieferbar sind (302 Seiten, 9,95 €). dotz

Sechs Wochen vor dem Geburtstermin hatten wir uns noch immer nicht entschieden, ob wir unseren Sohn beschneiden wollten. Wir hatten nicht oft darüber gesprochen – Nix über die Vobor habaut –, aber ich war online gegangen und hatte meine Recherche im Stillen fortgesetzt. Ich fand heraus, dass während der Zeremonie ein leerer Stuhl, der für den Engel Elia reserviert ist, in die Nähe des Kindes gestellt wird, denn es heißt, dass dieses alte Ritual für Gott so wichtig ist, dass Er, wenn ein Mann seinen Sohn beschneidet, die Engel ruft und voller Stolz sagt: – Kommt her und seht, was meine Söhne auf der Welt tun, worauf Elia auf die Erde hinabsteigt, um stellvertretend für Gott bei dem Augenblick zugegen zu sein (Sohar 1:93). Ich fand, dass selbst Frasier Crane seinen Sohn beschnitten hatte (Staffel 8, Episode 167), und der war mit einer Nichtjüdin verheiratet. Und ich fand den SmartKlamp, ein Do-it-yourselfBeschneidungsgerät aus durchsichtigem Plastik, das wie ein Korkenzieher von Philippe Starck aussieht. Seiner Website zufolge vermeidet er die Probleme, die häufig mit einer Beschneidung in Verbindung gebracht werden, wie „Infektion der beschnittenen Wunde … postoperative Blutungen … Verletzung der Eichel des Penis … Teilamputation des Penis …“, sowie das Risiko, von der Vorhaut zu viel oder nicht genügend zu entfernen.

Kommt her und seht, was eure Söhne auf der Welt tun.

Wir gingen wandern.

– Willst du es nun?, fragte ich Orli.

– Ich weiß nicht. Willst du es?

– Ich weiß nicht.

– Und der Stuhl ist für Elia?, fragte sie.

– Anscheinend.

– Das hatte ich nicht gewusst.

– Ich auch nicht.

– Kann Gott denn nicht selbst zusehen?

– Ich glaube, darum geht es nicht.

– Ich dachte, Er kann alles sehen.

– Kann Er auch.

– Und wozu dann Elia?

– Nichts. Bilder. Kuchen. Woher soll ich das denn wissen? Er bringt ein schönes Stück Kuchen mit.

– Steht das auch im Sohar? Dass Gott Kuchen mag?

– Ja. Twinkies.

– Hat Er sie deshalb nichtkoscher gemacht?

– Wahrscheinlich. Er ist sehr selbstsüchtig.

– Willst du es machen?

– Ich weiß nicht. Du?

– Ich weiß nicht.

Und ich fand auch VirtualJerusalem.com, wo ich einen virtuellen Gebetszettel dichtete, den dann jemand in eine nichtvirtuelle Mauer für einen virtuellen Gott stopfen sollte, der meinen nichtvirtuellen Sohn töten konnte, weil ich seit meinem 19. Lebensjahr zu praktisch jedem Ei Speck gegessen hatte oder weil ich am Sabbat Auto fuhr oder weil ich über Gott Dinge schrieb, die Er nicht guthieß.

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