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Kultur: Haydn, faltenfrei

KLASSIK (2)

Soll man seine Jugendwerke verbrennen? Nein, meinte Leos Janácek und bewahrte seine frühen Versuche in einer bemalten Bauerntruhe. So konnte sich am Dienstag nicht nur der historisch Interessierte an der Aufführung seiner Suite für Streichorchester von 1877 durch das Ensemble Oriol im Kammermusiksaal der Philharmonie erfreuen. Mit seiner faszinierenden Klangkultur wertete das Ensemble unter der Leitung von Michael Sanderling die komprimierten Stilkopien a la Dvorák oder Wagner einerseits auf. Doch einen Bogen über die Sätze hinweg oder gar zu anderen Werken des Programms schlugen sie nicht. Ein Bogen als Steigerung sollte sich dagegen in Haydns Cellokonzert in C-Dur entwickeln, in dem Sanderling statt des erkrankten Boris Pergamenschikow auch als Solist auftrat.

Tat sich man sich anfangs noch etwas schwer, dem trochäischen Schwer-Leicht der Orchesterbegleitung des ersten Satzes Leichtigkeit abzutrotzen, begann Sanderling spätestens im zweiten Satz himmelwärts zu streben: mit dynamisch ungeheuer differenziertem Ton, dem sich das Ensemble engelsanft und faltenfrei anpasste. Der Eindruck, dass Sanderling als Dirigent stark in klaren und leidenschaftlichen Ausdruckscharakteren ist, verdichtete sich schließlich bei der Streicherfassung von Schostakowitschs drittem Streichquartett. Jedenfalls erzeugte die Reprise des unbedarften Anfangsthemas im letzten Satz noch nicht die Schockwirkung, die notwendig gewesen wäre, um das berückend intensiv gestaltete Pathos des darauf folgenden Zusammenbruchs auch innerlich zu rechtfertigen.

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