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Kultur: Heckenglück

Die Oper „Piramo e Tisbe“ im Park von Sanssouci.

Noch bevor sich die Opernfans dem Neuen Palais nähern, bricht Friedrichs Schutzgott Apollo mit seinem Sonnenwagen aus den Gewitterwolken hervor. Kein Wunder: Schließlich haben die Musikfestspiele Potsdam-Sanssouci „Piramo e Tisbe“ von Johann Adolph Hasse, dem Lieblingskomponisten des Königs, auf das Programm gesetzt. 1768 bei Wien uraufgeführt, wurde die Oper drei Jahre später in Potsdam nachgespielt.

Die beiden Akte – der eine spielt in einem Palastzimmer, der andere im Wald – sind wie gemacht für eine Aufführung auf den zwei historischen Bühnen Sanssoucis: dem 1768 eingeweihten Schlosstheater und dem frisch restaurierten Heckentheater an der nördlichen Flanke des Palais. Es handelt sich um eine durchaus provozierende Musik, die Friedrichs musikalische Toleranz stark strapazierte. Denn der 69-jährige Hasse öffnet sich überraschend den Einflüssen der Gluck’schen Opernreformen, schreibt packende Orchesterrezitative und lässt in der expressiven Orchestersprache sogar seine Bewunderung für Carl Philipp Emanuel Bach durchscheinen.

Nirgendwo käme diese spannende Balance zwischen Alt und Neu klarer zur Geltung als in der symmetrischen Rokokowelt von Sanssouci – zumal der Dirigent Andrea Marchiol und sein Ensemble B’ROCK ein gutes Gespür für das diffizile Gleichgewicht zwischen Hasses feinsinnigem Melos mit seinen feinen Seufzerfiguren und den dramatischen Ausbrüchen beweisen. Auch die Sänger tragen dazu bei, dass man den nicht ungefährlich naiven Plot (eine antike Vorform der Romeo- und Julia-Geschichte), in ihrer symbolischen Märchenhaftigkeit und ästhetisierten Sprache akzeptiert. Bénédicte Tauran gestaltet die Partie der Tisbe mädchenhaft-natürlich und mit Mut zu Verzierungen, während Carlo Vincenzo Allemano ihren jähzornigen Altvorderen mit wunderbar väterlichem Timbre singt. Der technisch hoch versierte Sopranist David Hansen lässt den optimistischen Latin Lover durchblicken, doch steht die Strenge seiner Stimmlage der biegsamen Seufzermelodik Hasses entgegen.

Regisseur Igor Folwill stellt sich die schwere Aufgabe, die Ästhetik des Werks und des Orts zu respektieren und gleichzeitig Zeitgenossenschaft zu beweisen; er versucht das Problem durch dezenten Einsatz einer Gauklertruppe und eine inszenierte Probensituation mit Schminkspiegeln zu lösen. Im ersten Akt gelingt es ihm dabei oft, die Beziehungen der Personen in Hasses Labor der Gefühle durch glaubhafte heutige Arrangements deutlich zu machen. Im zentralperspektivisch gestaffelten Heckentheater mit seinen mächtigen Watteau-Bäumen werden Gesten konventioneller und pathetischer, ohne die Finesse der historischen Schauspielkunst zu erreichen, für die dieser Ort vielleicht doch das Mittel erster Wahl zu sein scheint. Carsten Niemann

Wieder vom 21.–23. Juni.; am 17. Juli, 19.05 Uhr, auf DeutschlandRadio Kultur.

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