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Kultur: Heiliger Bimbam

Von Michael Zajonz Eine vergleichbare Karriere war wenigen beschieden: wie ein Kleriker ausgebildet, zum Herzog gemacht, die Königskrone erzwungen, den Kaisertitel verdient. Was nötig ist, um schließlich als Heiliger verehrt zu werden, entzieht sich unserer Kenntnis.

Von Michael Zajonz

Eine vergleichbare Karriere war wenigen beschieden: wie ein Kleriker ausgebildet, zum Herzog gemacht, die Königskrone erzwungen, den Kaisertitel verdient. Was nötig ist, um schließlich als Heiliger verehrt zu werden, entzieht sich unserer Kenntnis. Dabei bietet das fromme und - im Scheitelpunkt des Mittelalters keineswegs ein Widerspruch - machtpolitisch höchst effektive irdische Wirken Kaiser Heinrichs II., des letzten Ottonen auf dem ostfränkisch-„deutschen“Thron, einige deutliche Fingerzeige. Aber lässt sich die komplexe Geschichte solch eines kapitalen Burschen, ja eine ganze versunkene Epoche rund um die vorletzte Jahrtausendwende, aus ihren spärlich erhaltenen Überresten heraus im Museum darstellen?

Es geht, behauptet das Haus der Bayerischen Geschichte mit seiner diesjährigen Landesausstellung in Bamberg - und provoziert den Vergleich mit glanzvollen Unternehmungen wie der großen Salier-Ausstellung 1992 in Speyer, der Schau über Bischof Bernward von Hildesheim 1993 oder - vor einem Jahr in Magdeburg - über Heinrichs Großonkel Otto den Großen. Gemessen an diesen Großprojekten fällt der Ertrag des zwei Millionen Euro teuren Spektakels auf dem Bamberger Domberg bescheiden aus.

Mit Alter Hofhaltung, bischöflicher Residenz, Diozösanmuseum und Dom hätte der Ausstellungsort nicht besser gewählt sein können. Das über Jahrhunderte gewachsene Ensemble bietet zwar nur noch wenig Substanz der Heinrichszeit. Doch Bamberg und die bis heute spürbare Verehrung seines 1146 heilig gesprochenen Bistumsgründers liefern eine Erinnerungslandschaft, wie sie dichter und lebendiger kaum denkbar ist.

Die Stifterfiguren Heinrichs und seiner im Jahre 1200 kanonisierten Gemahlin Kunigunde bereiten bereits beim Eintritt in den Domneubau des 13. Jahrhunderts auf Tilman Riemenschneiders Kaisergrabmal vor. Das flamboyante Bildhauerkunststück markiert den Siedepunkt einer lokalen Mythenbildung, die bereits zu Lebzeiten des Kaisers einsetzte. In einer Zeit, in der Herrscher aus dem Sattel heraus regierten, hatte Heinrich mit Bamberg einen Ort geschaffen, der weder als Hauptstadt noch als Metropole, wohl aber als Kristallisationskern symbolischer Politik verstanden werden darf.

Der körperlich behinderte Spross einer Nebenlinie der Ottonen hatte sich 1002 gegen mehrere Mitbewerber um die Königswürde im Handstreich durchgesetzt. Aus dem Leichenzug beschlagnahmte er die sterblichen Überreste des in Italien kinderlos verstorbenen Kaisers Otto III. und erzwang so die Herausgabe der Krönungsinsignien. Erzbischof Willigis, ein enger Vertrauter Ottos, krönte und salbte den Bayernherzog in Mainz.

Zum anerkannten König der deutschen Stammesverbände wurde Heinrich aber erst durch einen halbjährigen Huldigungsumritt kreuz und quer durch das instabile Reich. Wer herrschen wollte, musste sich sehen und buchstäblich begreifen lassen. Dabei hatte sich ein Machtwille offenbart, der in einer Kultur weitgehend festgelegter Konfliktlösungsstrategien unangenehm auffiel. Laut Heinrichs Chronist Thietmar von Merseburg „demütigte er jeden, der gegen ihn aufstand, und zwang alle, ihm mit gebeugtem Nacken Ehre zu erweisen". Heinrich selbst wollte sein Handeln aus anderer Perspektive wahrgenommen wissen. Auf dem Krönungsbild des in seinem Auftrag kurz nach 1002 entstandenen Regensburger Sakramentars - die verschwenderisch illuminierte Handschrift ist für die Dauer der Ausstellung aus der Münchner Staatsbibliothek an ihren einstigen Aufbewahrungsort zurückgekehrt - wird Heinrich von Christus selbst gekrönt. Dies Königtum, so die staats- wie religionspolitische Botschaft der Miniatur, erfüllt sich in der Rolle des Stellvertreter Gottes auf Erden.

In Bamberg hingegen ging es um die persönliche Memoria am damals erwarteten „Ende der Zeiten". Mit der Stiftung und bis dahin singulär reichen Ausstattung von Dom, angeschlossener Schule sowie zwei weiteren Stiften stellte der 1014 zum Kaiser Gekrönte einen politisch-intellektuellen Kosmos her, den der Heinrich-Biograph Stefan Weinfurter gern als „Testament seines Königtums“ bezeichnet.

Von den materiellen Resten dieser Erbschaft hat sich Erstaunliches erhalten, etwa die beeindruckende Fülle liturgischer und wissenschaftlicher Handschriften. Sie wie auch die Zimelien ottonischer Goldschmiede- und Textilkunst zeigt man in Bamberg im ganz auf die Wirkung des Objekts setzenden Format einer Schatzkammer. Urkunden und Realien, die Heinrichs Lebenswelt veranschaulichen sollen, zwängen sich jedoch in die schalen Kulissen einer Geisterbahn. Wer den schlecht beleuchteten Parcours entlang zusammengepferchter Pergamente überstanden hat, ist reif für die Spielangebote des auf dem Domplatz nachgebauten mittelalterlichen Bauerngehöfts. Da die hölzerne Herrlichkeit kurz vor Ausstellungsbeginn bei Schweißarbeiten abgebrannt ist, stellt sich das authentische Gefühl eines ottonischen Kriegshelden von selbst ein. Einmal ein König! Darauf ein Heinrichsbier.

Bis 20. Oktober, Domplatz Bamberg, täglich 10 bis 17 Uhr. Katalog (Konrad Theiss Verlag Stuttgart) 16 Euro.

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