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Kultur: Heim- und Fernweh: Prag und Neue Welt

Das passiert doch relativ selten, daß nach einem verheißungsvollen Auftakt ein Konzert so kümmerlich versandet.Josef Suks "Scherzo fantastique" von 1903 ließ nämlich erstmal mächtig aufhorchen, weil es zwar Dvoráks Tonpoesie sehr nahe steht, aber doch in eine andere Sphäre überwechselt, weil von aktionshungrigen Bläsern bewerkstelligte Eindunkelungen und rhythmische Verzückungen wegführen vom verführerischen Schmelzklang, den die ungeteilten wie vor allem die mehrfach geteilten Celli und die seidigen Violinen in ihren sich tänzerisch windenden Repliken anstimmen.

Das passiert doch relativ selten, daß nach einem verheißungsvollen Auftakt ein Konzert so kümmerlich versandet.Josef Suks "Scherzo fantastique" von 1903 ließ nämlich erstmal mächtig aufhorchen, weil es zwar Dvoráks Tonpoesie sehr nahe steht, aber doch in eine andere Sphäre überwechselt, weil von aktionshungrigen Bläsern bewerkstelligte Eindunkelungen und rhythmische Verzückungen wegführen vom verführerischen Schmelzklang, den die ungeteilten wie vor allem die mehrfach geteilten Celli und die seidigen Violinen in ihren sich tänzerisch windenden Repliken anstimmen.Wenn das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin mal in der Philharmonie spielt, gönnt man seinem Ost-Berliner Stammpublikum die bessere Akustik dieses Saals, wünscht sich aber auch, das Orchester würde aus diesem Fernvorteil mehr Klangkapital schlagen.Längst überfällig übrigens, daß die Philharmoniker während einer absolut visafreien Tagestournee mal am Gendarmenmarkt gastieren.

Unschwer zu erraten, was Leos Jancek am Vorabend des Ersten Weltkriegs veranlaßte, einen visionären Text seines Freundes Vrichlíck¿y zu vertonen und mitten im Völkergemetzel 1917 in Prag aufführen zu lassen.Die spätantikmittelalterliche Legende vom Anbruch eines Goldenen Zeitalters sträubt sich hörbar gegen ihre gutmeinende Vertonung, vielmehr werden die Töne ihrer nicht Herr - eine Tücke des Sujets, der auch Jancek nicht gewachsen war, wie auch die Solisten ihrem Part nicht; auch der Rundfunkchor konnte sich nicht in eine Himmlische Kantorei verwandeln, und man stand wie stets betroffen und verständnislos neben derartigen apokalyptischen Scherbenhaufen.

Schade ganz besonders um Antonin Dvoráks Sinfonie in e-Moll "Aus der Neuen Welt", denn verglichen mit ihrer Schönheit und formalen Raffinesse, nahm sie sich unter dem Dirigenten dieses Abends, Jirí Belohlávek aus Prag, fast wie eine statische Partitur aus.Um Heim- und Fernweh, tschechisches und amerikanisches Idiom, Reminiszenz und Erstaunen klanglich voneinander abzuspalten und schließlich doch zu verschmelzen, um die Landkarte musikalisch umzustülpen, Böhmen an den Pazifik zu verlegen und den Mississippi durch Prag fließen zu lassen - dazu gehört differenziertes und ausladenderes dynamisches Vermögen, nur verzögert und beschleunigt wollen Wehmut und Triumph wirklich wahr werden.

PETER SÜHRING

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