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Kultur: Helden fressen

Nomen est omen. Gemeint ist hier – bitte schön – der Vorname: Aeneas Bastian (Sohn eines streitbaren Ex-Kurators vom Hamburger Bahnhof) hat mit Harriet Häussler in ihrer gemeinsamen Galerie Upstairs eine Gruppenschau zum Thema „Mythos“ zusammengestellt (Zimmerstraße 90/91, bis 21.

Nomen est omen. Gemeint ist hier – bitte schön – der Vorname: Aeneas Bastian (Sohn eines streitbaren Ex-Kurators vom Hamburger Bahnhof) hat mit Harriet Häussler in ihrer gemeinsamen Galerie Upstairs eine Gruppenschau zum Thema „Mythos“ zusammengestellt (Zimmerstraße 90/91, bis 21. Juli, Preise auf Anfrage). Der Name des trojanischen Helden scheint irgendwie zu verpflichten: Bei Homer wurde Aeneas als Enkel des Göttervaters Zeus geboren, dem in der Ausstellung ein skurriles Bronzebüsten-Denkmal gesetzt wird – von Jonathan Meese, der sich einmal mehr klassische und moderne Sagengestalten einverleibt wie ein Helden fressender Drache. Dann spuckt er sie aus: halb verdaute, kreativ verhedderte Wortungetüme wie „Mythozardoz“ oder „Staatsvampir“ kritzelt Meese auf ein wild gemaltes Öltriptychon, das er „Marquis de Mythoz Baby“ nennt. Der Mythos, schreibt Norbert Bolz, „stellt ein Bild von der Welt und umstellt die Welt mit Bildern“. Wir brauchen diesen Mythenzaun, das Bollwerk für den Geist. Der Malerei-Hype der vergangenen Jahre hat das kollektive Bewusstsein allerdings eher mit Bildern überflutet als die von Bolz skizzierte Horizontbegrenzung zu leisten. Dementsprechend überflüssig – weil wenig erfinderisch – wirken zwei Malereipositionen in der Ausstellung. Meese bleibt stark. Ebenso Diamantis Sotiropoulos, der auf seiner sagenhaften Tuschezeichnung „Kämpfende Faune“ aufeinanderhetzt. Und Simon Schubert stellt schwarzhaarig-schaurige Zwillinge in den Galerieraum. Ein grundsätzlich realistisches Skulpturenpaar, das uns aber vorn wie hinten stets den Rücken zeigt. Die Gruselmär neuerer Bauart könnte David Lynch gefallen.

Ein Haus weiter lässt die Newcomerin Yvonne Roeb böse Blumen aus Omas Balkontöpfen und Eselsohren aus einem spacigen Motorradhelm à la Darth Vader wachsen. Die Quellen dieser „privaten Mythologie“ sind vielfältig: Sci-Fi-Märchen, Mythen oder kindliche Abzählreime speisen diese surreal angehauchte Bildhauerei (4500 bis 12 000 Euro). Zwischen den Skulpturen und zwischen den Zeilen bleibt in der Galerie Wilma Tolksdorf viel Raum zur Reflexion. Auf die Nachbilder im Kopf des Betrachters, das Weiterspinnen der Erzählfäden setzt Yvonne Roeb – während das männliche Künstler-Sixpack bei Upstairs nebenan eher mit martialischen Gesten auftrumpft. Roebs lakonische Objekte erzielen in der Galerie Wilma Tolksdorf ein verhaltenes Frösteln (Zimmerstraße 88/89, bis 30. Juni). Über uns züngelt eine Python aus Polyester. Ihrer Granny-Smith-Färbung nach könnte die Schlange mit dem biblischen Apfel gekreuzt sein. Lecker und fatal eben, wie schon bei Adam und Eva. Auch mit dem „Paradies der Kindheit“, von dem die Alten singen, ist es nicht weit her. Von sieben Raben erzählt ein bekanntes Märchen. Auf einer Kronleuchterskulptur von Yvonne Roeb hockt aber nur fünfmal schwarzes Federvieh. Das kann kein gutes Omen sein.

Jens Hinrichsen

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