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Kultur: Herr Taschenbier in Mexiko

Eben war er noch Herr Taschenbier in „Das Sams“, Ulrich Noethen. Aber dieser Hellmuth Busch hier wohnt weltenfern von allen Herrn Taschenbiers.

Eben war er noch Herr Taschenbier in „Das Sams“, Ulrich Noethen. Aber dieser Hellmuth Busch hier wohnt weltenfern von allen Herrn Taschenbiers. Obwohl er irgendwie auch eine Art Taschenbier ist. Ein kleiner Mann, der noch wächst. Er kommt aus der DDR und geht nach Mexiko. Wie bitte – aus der DDR kommen und nach Mexiko gehen? Wie machte man denn sowas?

Die Mexikanerin Eva Lopez-Sanchez zeigt es so: Ulrich Noethen aus der DDR steht im Jahre 1971 am Flughafen von Mexiko-City, er hat einen französischen Pass, da kommen zwei Männer und nehmen den falschen Franzosen einfach mit. Ein DDR-Flüchtling. Ein Ex-Stasi-Mann. Einer, der weg wollte, weil er keine Lust mehr hatte, für die Staatssicherheit zu arbeiten. Und nun kann Hellmuth Busch wählen. Entweder er arbeitet fortan für die Staatssicherheit Mexikos oder sie schicken ihn wieder nach Hause.

Busch bleibt in Mexiko. Wir verstehen das schon. Er darf auch seinen französischen Pass behalten und wird Geschichtsprofessor in Mexiko-City. Schon lernt er junge schöne mexikanische Studentinnen kennen, aber wir überlegen immer noch: Wie kommt dieser Mann bloß nach Mexiko? Entweder er war bei Markus Wolfs Auslandsaufklärung, dann hätte er garantiert einen besseren Pass gehabt - oder er war wirklich nur kleiner IM, und dann wäre er nie hergekommen. Es mag nebensächlich scheinen, aber der Ex-IM in Mexiko stört. Dabei geht es Eva López-Sánchez gar nicht um die DDR (die DDR ist für sie sicher nur ein exotisches Detail), sondern um Mexiko. Um die Mexiko-68er nach der Olympiade bis zum Massaker von Tlatelolco, bei dem Hunderte Studenten starben. Um den Aufbruch, den Traum ihres eigenen Landes. Da fällt also einer, der alle Träume hinter sich gelassen hat, schon mitten hinein in den nächsten Traum. Es ist nicht mehr seiner, es ist ein fremder. Aber was macht ein Traumloser, wenn er mit Menschen zu tun hat, die noch immer träumen? Darf man sie aufwecken? Darf man sie verraten, wenn man doch nun mal nur als Verräter geduldet ist, auch im neuen Land? Und was ist, wenn ein Nicht-Träumer eine Träumende liebt?

Die Regisseurin Eva Lopez-Sanchez hat das interessiert. Aber da ist keine wirkliche Entscheidung. Der Ex-IM Busch-Taschenbier versucht verzweifelt, ein Herr Taschenbier zu bleiben, muss dann doch wachsen und geht kaputt. Noethen kann das spielen, aber es ist allzu absehbar. Auch als Liebesgeschichte zwischen Träumenden und Nicht-Träumenden. Vielleicht ist wahre Humanität erst dann erreicht, wenn man gar nicht immerzu wachsen soll. Wenn ein Herr Taschenbier einfach ein Herr Taschenbier bleiben darf.Kerstin Decker

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