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Kultur: Herr zweier Häuser

Die Nachricht, dass Daniel Barenboim ab Dezember für zunächst fünf Jahre als Musikdirektor an der Scala antritt, ist keine Überraschung. Vielmehr ist sie die logische Folge dessen, was seit vier Spielzeiten Realität ist zwischen Mailand und Berlin.

Die Nachricht, dass Daniel Barenboim ab Dezember für zunächst fünf Jahre als Musikdirektor an der Scala antritt, ist keine Überraschung. Vielmehr ist sie die logische Folge dessen, was seit vier Spielzeiten Realität ist zwischen Mailand und Berlin. Barenboim, Generalmusikdirektor der Staatsoper Unter den Linden, kümmert sich auch um die musikalische Leitung der Scala. Seit der Saison 2007/2008 trägt er dort den Ehrentitel eines „Maestro Scaligero“, was man vorsichtig als Erster Gastdirigent oder auch als Musikchef ohne administrative Beschwernisse übersetzen kann.

Intendant Stéphane Lissner, der ein angeschlagenes Haus übernahm, suchte nach einem Neuanfang mit Barenboim. Dafür fand er die richtigen Worte und den passenden Titel. Noch war der im Streit mit Lissners Vorgänger zurückgetretene Riccardo Muti das Maß aller Scala-Dinge. Doch über die Jahre festigte sich die Position des Intendanten, der mit Barenboim viel beachtete Produktionen herausbrachte, auch einen neuen „Ring“ startete, als Koproduktion mit der Berliner Staatsoper. Ihr hält Barenboim die Treue. Im Sommer erst wurde sein Vertrag bis 2022 verlängert. Der Maestro wird dann auf seinen 80. Geburtstag zusteuern – und 30 Jahre Chef in Berlin gewesen sein.

Zeit also, die Dinge so zu benennen, wie sie sind. Barenboim wird die neue Scala-Saison am 4. Dezember mit „Don Giovanni“ eröffnen. Weiterhin geplant sind in seiner Mailänder Spielzeit ein neuer „Siegfried“, ein Beethoven-Schönberg-Zyklus mit dem Scala-Orchester und Tourneen zur Wiedereröffnung des Bolschoi Theaters sowie nach Luzern und Salzburg. Prestigeträchtige Auftritte, bei denen man gerne einen Chef hat – und einer ist. Dass Barenboim sich vom Opernglanz nicht blenden lässt, machte er bei der Scala-Eröffnung im vergangenen Dezember deutlich. Statt den Einsatz für Richard Wagners „Walküre“ zu geben, griff er zum Mikrofon und zitierte mit Blick hinauf zur Königsloge, in der Staatspräsident Napolitano thronte, aus Italiens Verfassung, in der die Pflege des kulturellen Erbes festgeschrieben steht.

Noch hat sich die Staatsoper nicht zu Barenboims neuem Titel geäußert. Sie hat damit auch keine Eile. Am Berliner Engagement des Maestro hegt niemand Zweifel. Welchen Nutzen eine langfristige Zusammenarbeit mit der Scala für die Staatsoper haben könnte, wäre aber ein lohnendes Thema.

Ulrich Amling über Barenboims Engagement in Mailand

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