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Kultur: Herzensbrecher

Formidabel: Alice Russells Soul-Album „To Dust“.

Sie bräuchte mal einen richtigen Hit, einen, der sie unauslöschlich ins kollektive Pop-Gedächtnis brennt. Denn Alice Russell hätte es schon längst verdient, ebenso bekannt zu sein wie die Amys und Adeles dieser Welt. Stimmlich macht der Britin ohnehin in Europa kaum eine Sängerin etwas vor. Mit der aktuellen Single „Heartbreaker“ von ihrem gerade erschienenen vierten Soloalbum „To Dust“ (Differ-Ant) ist sie am Hit so nah dran wie selten zuvor. Der Soul-Song hat einen guten Groove, ein verspieltes Gitarrenmotiv und eben Russells kraftvollen Gesang.

Es ist das radiotauglichste Stück der Platte, die sie wieder mit ihrem langjährigen Produzenten Alex Cowan aufgenommen hat. „Heartbreaker“ entspricht relativ eindeutig den Konventionen der derzeitigen Neo-Soul-Mode – und ist damit überhaupt nicht repräsentativ für den Rest des Albums, das sich durch ein äußerst gegenwärtiges Klangkonzept auszeichnet. Die Balance zwischen R’n’B-Einflüssen und Blue Eyed Soul ist fein austariert, was zu einem erwachsenen, dynamischen Sound führt. Ein Retro-Eindruck war hier eindeutig nicht das Ziel. So verbindet etwa „Let Go (Breakdown)“ auf elegante Weise einen Beat aus Handclaps und Bassdrum- Achtelschlägen mit einer flamencohaft geschlagenen Gitarre. Dazu stimmt Alice Russell eine Art Klagemantra an, in dem sie sich beschwört, einen geliebten Menschen endlich loszulassen.

Wahrscheinlich wird der 1975 in Suffolk geborenen Tochter eines Organisten der große Durchbruch auch mit „To Dust“ nicht gelingen. Das ist zwar schade, doch wer die Sängerin einmal bei einem ihr fantastischen Auftritte erlebt hat – etwa vergangenes Jahr zusammen mit Quantic und der Combo Bárbaro im Berliner Gretchen – konnte deutlich sehen: Alice Russell lebt dafür, auf der Bühne zu stehen. Ob mit oder ohne Hit, ihr musikalischer Traum scheint schon lange in Erfüllung gegangen zu sein. Nadine Lange

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