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Rembrandt im Mittelpunkt. Blick in die neu gestalteten Braunschweiger Museumshallen.

© Claus Cordes/Museum

Herzog Anton Ulrich-Museum wiedereröffnet: Meisterwerke massenhaft

Das Herzog Anton Ulrich-Museum in Braunschweig ist wiedereröffnet. Mit neu erschlossenen Räumen, neu ausgestellten Objekten und einer barocken Sammlung, die es in sich hat.

Fünfmal Glück. Fünfmal inneres Strahlen. Eine beinahe körperlich spürbare Wärme geht von dem Paar und seinen drei Kindern aus, die Rembrandt wenige Jahre vor seinem Tod mit hinreißend entschlossenem Pinselstrich malte. „Das Braunschweiger Familienbild“ zeigt möglicherweise gar keine reale Amsterdamer Bürgerfamilie, sondern idealisiert eine familiäre Balance, die Rembrandt selbst damals endgültig verloren hatte.

Das „Familienbild“ gehört zu den herausragenden Werken des nach siebenjähriger Sanierung nun wiedereröffneten Herzog Anton Ulrich-Museums in Braunschweig. Ein Haus, das nicht nur Spitzenkunst von Altägypten bis zur Gegenwart zeigt, sondern zu den vier Museen in Deutschland gehört, die einen Vermeer besitzen. In Braunschweig ist es „Das Mädchen mit dem Weinglas“, eine galante Szene, deren malerische Unschuld in genialem Kontrast zum schlüpfrigen Thema steht. Vermeers Zeitgenossen sollten bei aller Augenlust moralische Bedenken ereilen, die Museums-PR von heute will mit dem Slogan „Verführung garantiert“ nichts mehr davon wissen.

Bestände gehen auf barocke Sammlung zurück

Meisterwerke massenhaft: Augenfällig wird das in der Beletage des 1887 eingeweihten Bau, wo die bereits damals europaweit berühmte Gemäldesammlung nach der 33,6 Millionen Euro teuren Sanierung nur wieder gezeigt wird. in den vier großen, glänzend in Farben und Licht getauchten Oberlichtsälen lassen sich Hauptwerke wie Rubens’ eigenhändige, erotisch-blutrünstige „Judith mit dem Haupt des Holofernes“ (auch dies ein Tugend- und Moralbild) bewundern; ebenso stößt man in den benachbarten Kabinetten auf Entdeckungen, etwa Adam Elsheimers winzige „Morgenlandschaft“, frühes Beispiel barocker Landschaftsmalerei.

Wie stark diese Schätze bereits die Fantasie früherer Besuchergenerationen anregten, lässt sich in einem Büchlein nachlesen, das Museumsdirektor Jochen Luckhardt zusammengestellt hat: „50 literarische Begegnungen mit dem Herzog Anton Ulrich-Museum und seinen Kunstwerken“ (Sandstein Verlag Dresden, 18 €) zitiert ebenso den großen schottischen Reiseschriftsteller James Boswell wie Wolfgang Hildesheimer oder Samuel Beckett, die sich beide von Giorgiones rätselhaftem „Selbstbildnis als David“ beeindrucken ließen.

Die Bestände des Hauses gehen auf die barocken Sammlungen Herzog Anton Ulrichs von Braunschweig-Lüneburg auf Schloss Salzdahlum (1813 abgerissen) zurück. Dessen Nachfolger Herzog Carl I. begründete 1753 die Tradition, die herzoglichen Sammlungen öffentlich zugänglich zu machen – womit das älteste öffentliche Kunstmuseum Deutschlands ins Leben gerufen war, lange vor der Eröffnung der Potsdamer Bildergalerie oder des Kasseler Museums Fridericianum. Braunschweig gehört – vergleichbar mit Kassel, Gotha, Schwerin – zu jenen einst fürstlichen Museen, die jenseits der Kunstmetropolen den besonderen Rang der deutschen Museumslandschaft ausmachen.

Feine Kollektion ethnografischer Objekte

Die diversen Sammelleidenschaften der dortigen Herzöge erschließen sich vollständig erst beim Gang durch das zweite Obergeschoss, wo antike und barocke Skulpturen, japanische Lackarbeiten, Uhren, Kunstkammerobjekte, Münzen und Medaillen, erlesenes Porzellan, italienische Majoliken (die französischen wurden 1806 von Napoleons Kunstexperten beschlagnahmt und befinden sich bis heute im Louvre), Maleremail aus Limoges, Tafelgerät und Textilien zum Staunen einladen. Erstmals fast vollständig zu sehen ist eine kleine feine Kollektion ethnografischer Objekte aus aller Welt, die seit dem 18. Jahrhundert im Bestand sind. Perfekt beleuchtet und inszeniert wurde dieser welt- und wissensumspannende Parcours – allein im Obergeschoss finden sich rund 3500 Artefakte – vom Berliner Architekturbüro Kuehn Malvezzi, das die Ausstellungsgestaltung übernahm.

Dank der Verlagerung von Bibliothek, Büros, Depots und Werkstätten in einen bereits 2009 fertiggestellten Anbau hinter dem Museum konnten neue Publikumsflächen im Erdgeschoss des Altbaus gewonnen werden. Dort, wo zuvor Wissenschaftler und Restauratoren unter beengten Verhältnissen arbeiteten, entstanden moderne Räume für Sonderschauen. Auch dem Braunschweiger Kupferstichkabinett wird dort Raum geboten.

Dessen Leiter Thomas Döring stellt seine 145 000 Blatt umfassende Sammlung mit einer Auswahl unter dem Titel „Künstler! Druckgraphische Selbstbildnisse aus sechs Jahrhunderten“ vor: Edvard Munch, frontal und kreidebleich; William Hogarth, wie immer genial durchgeknallt; der viel zu unbekannte schlesische Barockberserker Michael Willmann als sensibler Brillenträger. Natürlich auch Rembrandt, der Meister der Selbstdarstellung. Auf einem virtuos radierten Studienblatt von 1631 blickt uns der damals 25Jährige entgegen: geheimnisvoll und doch hellwach, auf der Suche – nach Glück?

Herzog Anton Ulrich-Museum Braunschweig, Museumsstraße 1, Di-So 11-18 Uhr. Freier Eintritt bis 30.10. Informationen: www.3landesmuseen.de

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