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Kultur: Herzschmerz

Nächste Woche wird die Art Cologne 40 – und steckt mitten in der Midlife-Crisis

Kunst ist in Köln Herzenssache. Man veranstaltet keinen Pomp, sondern prostet sich mit der Bierflasche zu. So werden auch zur 40. Ausgabe der Art Cologne keine Popstars eingeflogen, Sexsymbole aufgeboten oder aufwendige Lasershows veranstaltet, wie es sich bei manchem internationalen Kunstevent inzwischen eingebürgert hat. Das Ereignis wird voraussichtlich ruhig über die Bühne gehen, vielleicht sogar klanglos. Denn die Feierstimmung ist getrübt, einige reden sogar von einem „Tränenereignis“.

Die backsteinernen Rheinhallen, in denen viele rauschende Vernissagen gefeiert wurden, stehen entkernt da: ein tristes Gerippe, das für RTL umgebaut wird. Die älteste Kunstmesse der Welt musste schon im Vorjahr weichen – in abgelegene Hallen mit Container-Charme. Man kann das als Sinnbild für die Bedeutungsverschiebung in Köln von der Kunst hin zu den Medien sehen. Verschärft wird die Situation von einer programmatischen Schwäche der Art Cologne: Noch nie war der Anteil der international tonangebenden Galerien so gering. Innerhalb von wenigen Jahren ist hier viel Terrain verspielt worden.

Doch die Probleme sind nicht nur hausgemacht. Noch in den neunziger Jahren drehte sich alles um Köln und Basel. Heute sind die Handelsplätze in Miami, Peking und Seoul genauso interessant, wenn nicht spannender. Dort werden neue Käuferschichten erschlossen, so wie es in den siebziger Jahren im Rheinland der Fall war. Mit dem internationalen Kunstmarkt-Boom gehen, das wird immer deutlicher, nationale Krisen einher. Köln leidet zudem unter dem Wegfall des Hauptstadtnachbar-Bonus.

Die „Mutter der Kunstmessen“ hat sich in diesem Jahr merklich verschlankt – auf 185 Galerien. Von „klein, aber fein“ kann trotzdem keine Rede sein. Dazu hat sich zu viel Mittelmaß regelrecht eingeklagt. Das heißt aber nicht, dass Köln gar nichts mehr zu bieten hätte. Im Vorjahr hat das Kommunikationsbüro Neumann + Luz, das inzwischen für die Londoner Frieze Art Fair tätig ist, das Open-Space-Modell für die Art Cologne entwickelt: ein kuratierter, offener Verkaufsraum. Er wurde viel gelobt und wird in diesem Jahr noch einmal vergrößert.

Mit Spannung werden auch die Auftritte der „New Talents“ und der „New Contemporaries“ erwartet. Drei junge Berliner Galerien sind darunter, Brüning, Chughtai und Stüber. Merkwürdigerweise finden sich unter den „New Talents“ (vormals „Förderkojen“) dagegen kaum Berliner. Dabei hat man gerade in Köln den Eindruck, dass praktisch alle interessanten jungen Künstler inzwischen Berlin als Wohnadresse angeben.

Mehr als nur Messe-Rahmenprogramm verspricht die Sonderschau „Um ’67“ zu werden. Sie richtet in Rudolf Zwirners alten Kölner Galerieräumen den Fokus auf die sechziger Jahre, als er und Hein Stünke den Kölner Kunstmarkt erfanden, aus dem die Art Cologne hervorging. Auch Zwirner ist inzwischen Wahl-Berliner. Zur Jubiläumsausgabe kommt er zurück, um den Art-Cologne-Preis 2006 abzuholen, und vielleicht auch, um mit den Kölnern auf bessere Zeiten anzustoßen.

Art Cologne, Köln Messe, 1. bis 5. November, Vernissage: 31. Oktober.

Johanna Di Blasi

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