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Kultur: Heute, ab 19 Uhr, live

Kleine Lektüre im Kaffeesatz: Welcher Film holt den Goldenen Bären? Welche Schauspieler siegen? Was bedeutet Charlotte Ramplings Ungeduld?

Rückblende. Montag im Berlinale-Palast, das 163-Minuten-Martyrium „Der freie Wille“ ist gerade zu Ende, und als eine der ersten stürmt aus der Vorstellung: Jury-Präsidentin Charlotte Rampling. Herrscht eine Garderoben-Mitarbeiterin an: „Give me my coat!“, und weg ist sie. Nur: Was bedeutet die Szene, journalistisch in der Grauzone zwischen Zeugenaussage und Gerücht anzusiedeln? Dass Frau Rampling, was ihr Tonfall nahe legt, den Film ganz und gar unerträglich fand? Dass sie, weil sie besonders positiv beeindruckt war, vor dem allgemeinen Trubel ein bisschen mit dem Film allein sein wollte? Oder hatte sie es, trivialste Variante, einfach eilig – aus ganz anderen Gründen?

Es ist die hohe Zeit des Kaffeesatzlesens. Und sie wird dieses Jahr zum ersten Mal besonders lang und spannend: Am Freitag Abend hat die Jury entschieden, aber nicht schon bei der traditionellen Pressekonferenz am Sonnabend, 14 Uhr, werden die Bären-Sieger verkündet, sondern das große Ereignis geschieht für alle – ob Kritiker, ob Publikum – live. Die Berlinale-Abschlussgala wird ab 19 Uhr auf 3sat übertragen und im Internet (www.berlinale.de) gestreamt, wie es auf gut Denglisch heißt. Und um 20 Uhr 10 soll alles klar sein.

Immerhin, am Ende eines erstaunlich schwachen Berlinale-Jahrgangs schieben sich ein paar Filme deutlich vor ins Feld. Zwei englischsprachige und zwei deutsche Titel dürften am aussichtsreichsten im Rennen sein. Robert Altmans entspannte Hommage auf die amerikanische Radioshow-Legende „A Prairie Home Companion“ ist souverän leichte Kost, und Michael Winterbottoms nach der Veröffentlichung neuer Abu-Ghraib-Folterbilder besonders aktueller „The Road to Guantanamo“ steht für das relativ neue Festival-Genre des Politpamphlets für eine gute Sache. Man erinnere sich: Vor zwei Jahren holte Michael Moore mit dem Anti-Bush-Traktat „Fahrenheit 9/11“ in Cannes die Goldene Palme.

Aber auch an den auf dem Festival viel diskutierten Deutschen kommt die Jury wohl kaum vorbei. Am letzten Tag meldete Hans-Christian Schmid mit seinem stillen Exorzismus-Drama „Requiem“ eindrucksvoll Anspruch auf höchste BärenEhren an, doch Valeska Grisebachs „Sehnsucht“ hat auch beeindruckt – die internationalen Kritiker im Fachblatt „Screen“ führten die mit Laien gedrehte, sanfte Dreiecksgeschichte hinter Altman und Winterbottom auf Platz drei. Nur: Schert sich eine Jury um das, was Kritiker sagen? Erstens: nein. Und zweitens: Soll sie auch gar nicht.

Neben dem Goldenen Bären und einem Großen Preis für den, nunja, zweitbesten Film vergibt sie fünf weitere Preise – für Regie, für Musik, für „eine herausragende künstlerische Leistung“ und zwei Darstellerpreise. Vor allem über letztere wird gerne spekuliert. Ob hier Sandra Hüller („Requiem“) oder Sabine Timoteo („Der freie Wille“) sich durchsetzen, oder doch eher Mirjana Karanovik, die bosnische Mutter in „Grbavica“? Und bei den Herren: Jürgen Vogel („Der freie Wille“) oder doch eher der unwiderstehlich relaxte „Prairie“- Moderator, Sänger und Drehbuchschreiber Garrison Keillor?

Schluss jetzt. Es spricht die Jury.

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