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Kultur: Heute beginnt die Vorbesichtigung der Frühjahrsauktion der Villa Grisebach.

"Rotblondes Mädchen", so der Titel des Bildes, ist die pure Untertreibung.Nicht nur die langen Haare, das ganze Gesicht, das unmittelbar an den Betrachter herangerückt ist, scheint vor dem dunklen Hintergrund zu lodern.

"Rotblondes Mädchen", so der Titel des Bildes, ist die pure Untertreibung.Nicht nur die langen Haare, das ganze Gesicht, das unmittelbar an den Betrachter herangerückt ist, scheint vor dem dunklen Hintergrund zu lodern.Einzig das Weiß der großen Augen leuchtet im reinsten Himmelblau und bildet damit einen starken Kontrast zur glühenden Farbigkeit des Antlitzes.Emil Nolde malte das Bild 1919, mehr als sechzig Jahre lang hing es unentdeckt in einer Privatsammlung.Mit einem Schätzpreis von bis zu 800 000 DM ist es nun das teuerste Werk der Frühjahrsauktion der Villa Grisebach.

15 Millionen Mark beträgt diesmal das Gesamtvolumen der zweitägigen Veranstaltung, doch besagt dies wenig über die Qualität der einzelnen Objekte.Obwohl die ganz großen Highlights fehlen - man merkt, daß der Markt für Spitzenstücke oberhalb der Millionengrenze immer enger wird - verfügt das Haus über eine beeindruckende Anzahl bedeutender Werke, vor allem aus der Klassischen Moderne, besonders des deutschen Expressionismus.Von Nolde etwa ist noch das kleine Aquarell "König und junges Mädchen" hervorzuheben, das der Künstler dem Schauspieler Heinrich George "als kleinen herzlichen Dank für Ihre große Kunst" widmete.Es gehört zu den sogenannten "Ungemalten Bildern", etwa 1300 Aquarellen, die Nolde ab 1938 trotz seines Mal- und Ausstellungsverbotes im Geheimen schuf (Taxe 160 000 DM).Eine erstklassige Provenienz besitzt ebenfalls Otto Muellers Gemälde "Zigeuner im Garten" (um 1928): Nach Muellers Tod befand es sich zeitlebens im Besitz der Witwe, die sich hiervon partout nicht trennen wollte (Taxe 400 000 DM bis 600 000 DM).Wunderschön sind die drei Jawlenskys, eine Landschaftsvariation ("Frühwind", 1915, bis 200 000 DM) und zwei abstrahierte Köpfe von 1917 und 1935, die in den letzten Jahrzehnten häufig auf Ausstellungen zu sehen waren.Während das 1917 gemalte "Heilandsgesicht: Sibylle" in seiner exotischen Farbenpracht noch stark expressive Züge trägt (350 000 DM), gelangte Jawlensky bei dem stillen, verschlossenen "Abstrakten Kopf: Lemure" von 1935 zu einer beispielhaften Vergeistigung der bis zum Äußersten reduzierten Form (260 000 DM).Auch Christian Rohlfs, der zu einem ganz eigenen Expressionismus unabhängig vom Blauen Reiter und der Brücke fand, ist mit der in Rottönen gehaltenen "Frau mit Spiegel" von 1928 glänzend vertreten (bis 120 000 DM).

Der Impressionismus fällt im Vergleich dazu ab, allerdings besticht Lesser Ury mit seinem 1925 entstandenen Gemälde vom nächtlichen Bahnhof Nollendorfplatz (160 000 DM).Da der Künstler von seinem Atelier direkt auf den Bahnhof blickte, existieren von diesem Motiv mehrere suggestive Nachtbilder; eines, ebenfalls aus dem Jahr 1925, befindet sich in der Sammlung der Nationalgalerie.Wie anders war da der Blick aus dem Atelier seines Kontrahenten Max Liebermann! Ury hatte die pulsierende Großstadt vor Augen, Liebermann (jedenfalls 1895, als er für kurze Zeit im Alsen-Viertel im Tiergarten malte, bevor er wieder in sein Elternhaus am Pariser Platz zurückkehrte) eine idyllische Parklandschaft, die nichts von der rasant wachsenden Metropole ahnen läßt.Auf mindestens 120 000 DM ist sein Aquarell von der friedlichen Umgebung mit Springbrunnen und Pferdebahn geschätzt.Nicht unerwähnt sei schließlich Menzels bildmäßig durchgearbeitete Zeichnung einer dichtgedrängten Szene in der Kirche, die einmal mehr die bewundernswürdige Virtuosität des Künstlers widerspiegelt (um 1890/1900, Taxe bis 120 000 DM).Ob sie wohl an die spektakulären Ergebnisse seiner Zeichnungen auf der letzten Auktion anschließen wird?

Erstmals führt die Villa Grisebach auch eine Fotoauktion durch, der ein gesonderter Katalog mit knapp 240 Nummern gewidmet ist.Anders als Bassenge vor wenigen Wochen konzentriert sich das Haus ganz auf die Fotografie dieses Jahrhunderts.Am teuersten (bis 11 000 DM) sind die drei schönen, dem Neuen Sehen verpflichteten Arbeiten Erwin Blumenfelds aus den späten dreißiger und vierziger Jahren.Weitere Höhepunkte aus der Zeit bis 1945 sind zwei sonnendurchflutete Waldstücke von Albert RengerPatzsch (bis 3200 DM), oder auch Josef Breitenbachs Porträt von Wassily Kandinsky von 1938 (5500 DM).Vintages von Leni Riefenstahl, Edmund Kesting, Herbert List und Helmut Newton bewegen sich zwischen 1200 und 3500 DM.Man darf gespannt sein, wie dieses Angebot von der Fotoszene aufgenommen wird.

Villa Grisebach Auktionen, Fasanenstraße 25, Auktion am 5./6.Juni, Vorbesichtigung bis 4.Juni, heute und Montag / Dienstag 10-18.30 Uhr, Mittwoch 10-20 Uhr, Donnerstag 10-17 Uhr, Pfingstsonntag geschlossen.Vier Kataloge zus.110 DM.

MARKUS KRAUSE

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