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Kultur: Hi hi Hitler

Am Donnerstag kommt Dani Levys Naziparodie in die Kinos. Und mit ihr die alte Frage: Darf man über Hitler lachen?

Max Bialystock und Leo Bloom hatten eine glänzende Idee: Für einen Anlagebetrug wollten sie den größten Broadwayflop aller Zeiten landen. So suchten sie nach einem Drehbuch, das alle Grenzen des guten Geschmacks sprengte, nach einem Stück, das einen so großen öffentlichen Aufschrei verursachte, dass es bereits nach der Premiere abgesetzt werden würde. Und sie wurden fündig: „Frühling für Hitler – das fröhliche Treiben von Adolf und Eva in Berchtesgaden“ war ein schöner Tabubruch: Das Stück war eine grandiose Verharmlosung, ja mehr noch: eine Glorifizierung Hitlers.

Die Produzenten ließen lächelnde SS-Männer und blonde Herrenrassemädels in Hakenkreuzformation über die Bühne tanzen, Hitler, gespielt von einem Hippie auf LSD, schwadronierte von der Weltherrschaft. Das konnte eigentlich nur schief gehen. Dann aber geschah das Unglaubliche: Die Zuschauer brüllten vor Lachen, sie verstanden das Stück als Satire. Der schöne Plan von Max und Leo war dahin, und sie fragten sich verzweifelt: „Was zur Hölle haben wir richtig gemacht?“

„The Producers“ hieß der Film, in dem Mel Brooks 1968 die Geschichte von Max und Leo erzählte. Er war beides: eine Persiflage auf die kulturindustrielle Ausnutzung der Nazi- und Hitlerfaszination und zugleich ein Statement: Ja, über Hitler kann man lachen. Das fanden damals allerdings nicht alle, und es kam zur schizophrenen Situation, dass Regisseur Brooks genau das widerfuhr, was seine Protagonisten angestrebt hatten: Er erhielt eine Menge Briefe, deren empörter Tenor war: „Über Hitler kann man nicht lachen!“

Nun versucht sich Regisseur Dani Levy mit „Mein Führer – Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler“ am heiklen Genre der Hitlersatire. Helge Schneider mimt den Führer, der sich 1944 im goldenen Frotteetrainingsanzug mit Hilfe des jüdischen Schauspiellehrers Grünbaum auf die Rede aller Reden vorbereitet; der zusammen mit Eva Braun Urlaubsfilme guckt und sie mit der Hammondorgel musikalisch unterlegt; der sich anschließend an Evas Begattung versucht („Ich spüre sie nicht, mein Führer“ – „Nein? Dann werde ich mich vergrößern.“); und der seinerseits von Hund Blondi bestiegen wird.

Die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ fragte Regisseur Levy in Vorwegnahme auf die anstehende Feuilleton-Debatte bereits Mitte Dezember: „Darf man über Hitler lachen?“ Levy antwortete naheliegenderweise mit „Ja“. Und wieder ist sie da, die Frage, die so alt ist, wie die Hitlerparodie selbst. Seit 1940, seit dem „Großen Diktator“ wird sie gestellt. Nur die Intention der Fragesteller hat sich im Laufe der Zeit gewandelt.

Vor allem bei Filmen wurde lebhaft diskutiert, denn so wie Hitler die Menschen vor allem dann in seinen Bann zog, wenn er live sprach, wenn sie ihn sehen und hören konnten, so entfaltet Hitler auch erst sein ganzes lächerliches Potential, wenn man ihn sieht, wenn man ihn hört. Der Grat zwischen rhetorischem Dämon und rumpelstilzchenhafter Witzfigur ist schmal: Dieser übertriebene Wechsel zwischen Gebrüll und Geflüster, die inszenierten Pausen, dieses Augenrollen, döse söltsame Aussprrrrache und natürlich dieser blöde Bart. Und dem liefen die Deutschen hinterher.

Charlie Chaplin empfand genau das, als er 1938 einen Stapel Hitlerbilder in die Hände bekam. “Ich konnte Hitler nicht ernst nehmen. Jede Postkarte zeigte eine andere Pose: Einmal griff er mit klauenartigen Händen in die Menschenmasse, dann wieder hatte er wie ein Kricketspieler beim Schlag den einen Arm steil emporgereckt, während der andere schlaff herabhing. Auf der nächsten Karte sah man ihn mit ausgestreckten Händen, die Fäuste geballt, als hebe er eine Hantel. Die Gebärde des Grußes, bei der er die Hand über die Schulter zurückwarf, wobei die Handfläche nach oben gerichtet war, erweckte in mir den Wunsch, ein Tablett mit schmutzigen Tellern draufzustellen. Das ist ein Verrückter, dachte ich.“ Und eine Witzfigur, die obendrein auch noch so aussah, wie Chaplins legendäre Figur aus den Stummfilmtagen: der Tramp.

Was also lag näher, als eine Verwechslungskomödie zwischen Diktator und Tramp? Chaplin inszenierte die Geschichte des kleinen jüdischen Friseurs und des Großen Diktators Adenoid Hynkel, die sich äußerlich kaum unterschieden, innerlich aber sehr wohl. Am Ende der Komödie wird der Diktator in sein eigenes KZ eingeliefert, und der Friseur hält in Uniform eine flammende Rede für die Menschlichkeit.

„Der Große Diktator“ ist die Mutter aller Hitlerparodien, und er ist die treffendste. Wenn Hynkel mit der Weltkugel tanzt bis sie platzt, wenn er sich in seinem Friseurstuhl in die Höhe pumpt, nur um seinen Diktator-Kollegen Napaloni an Größe zu übertreffen, dann sagt das mehr über die Psyche des Faschismus aus als alle Anti-Nazi-Filme, die Hollywood später auf den Markt warf. Aber noch war es längst nicht so weit. Denn als Chaplins Film 1940 in die Kinos kam, war sofort die Frage da: „Darf man über Hitler lachen?“

Dass die Nazi-Presse gar nicht fand, dass man über den Führer lachen dürfe, war klar. Die Filme des „Zappeljuden Chaplin“ (Nazi-Jargon) waren in Deutschland ohnehin seit 1934 verboten, und als bekannt wurde, dass Chaplin dabei war, den „Großen Diktator“ zu drehen, krähte der „Deutsche Filmkurier“: „Die jüdische Minderheit darf also in den USA unbehelligt den Führer einer fremden großen Nation verhöhnen. Wann wird Amerika diese selbstverständliche Anstandspflicht zwischen Völkern aufbringen, derartige Unverschämtheiten, wie sie der Jude Charlie Chaplin im Schilde führt, zu verhindern?“ Ja, ja, es wäre vom propagandistischen Standpunkt her gesehen zu schön gewesen, wenn Chaplin wirklich Jude gewesen wäre. Aber nicht einmal diesen Gefallen tat er den Nazis. Er war einfach kein Jude.

Aber nicht nur in Deutschland, auch in den USA sah sich Chaplin massiver Kritik ausgesetzt. Natürlich wetterten die amerikanischen Nazis und Antisemiten – und davon gab es eine ganze Menge, wie die Fülle an Drohbriefen an Chaplin zeigt – gegen den Film. Aber auch die Zensurbehörde hielt eine Hitlersatire für keine sonderlich gute Idee. Die Begründung: Man solle Hitler nicht zusätzlich provozieren. Eine Einschätzung, die auch die Mehrheit der Bevölkerung teilte. 1939 waren 96 Prozent der Amerikaner gegen einen Kriegseintritt ihres Landes. Was in Europa passierte, war ihnen egal, Hauptsache, sie hatten damit nichts zu tun. Chaplin setzte den Film gegen alle Widerstände durch. „Ich wollte“, sagte er, „unbedingt den mystischen Unsinn über eine reinblütige Rasse zum Gespött werden lassen.“

Ernst Lubitschs Ansinnen war ähnlich. Er wollte die Nazis als Schmierenkomödianten entlarven und den Nationalsozialismus als aufgeblasenes Theater. 1942 kam mit „Sein oder Nichtsein“ der zweite Klassiker der Hitlerpersiflage in die Kinos. Polen, kurz nach dem Einmarsch der deutschen Truppen: Die Schauspieler eines Warschauer Theaters werden zu unfreiwilligen Partisanen. Sie schlüpfen selbst in die Rolle der Nazis, führen die wahren Nazis an der Nase herum und spielen sich selbst in die Freiheit. Der Schauspieler Brodski gibt dabei einen überzeugenden Hitler ab, mit lustigem Bart und schneidigem Gestus, nur eine künstlerische Freiheit nimmt er sich bei seiner Diktatoreninterpretation. Auf das „Heil-Hitler“-Gebrüll seiner Gegenüber pflegt er mit „Heil mir selbst“ zu antworten. Lubitschs Film kam zwei Jahre nach dem „Großen Diktator“ in die Kinos, und wieder wurde die Frage gestellt: „Darf man über Hitler lachen?“ Nur mittlerweile aus ganz anderem Grund. Es ging nicht mehr darum, Hitler nicht zu verärgern. Ganz im Gegenteil. Der Vorwurf an Lubitsch lautete: absurde Verharmlosung Hitlers und der Nazis, hart am Rande der Geschmacklosigkeit, der Film mache sich über die Leiden der polnischen Bevölkerung lustig.

Der Grund für die Gemütsdrehung lag in der weltpolitischen Lage. Die Japaner hatten Amerika mit einer Fülle von Bomben vor Pearl Harbor aus dem isolationistischen Schlaf gerissen, die Deutschen hatten Amerika den Krieg erklärt, und plötzlich konnte Hitler gar nicht mehr negativ genug dargestellt werden. Ganz Hollywood trat zum Kriegsdienst an, inklusive Mickey Mouse und den Drei Schweinchen, die in einem Disney-Zeichentrickfilm gegen einen Wolf antraten, der eine nicht zu übersehende Ähnlichkeit mit Hitler aufwies. Feinsinnige Satire, wie sie Lubitsch in seinem Film anwandte, war nicht gefragt. Seine Nazis waren keine brutalen Schläger oder Folterknechte, seine Nazis waren Biedermänner, Schreibtischtäter, und eigentlich gar nicht so unsympathisch. Menschen eben. Der Film wurde zu Lubitsch’ größter Katastrophe – als Opfer der Zeit von der Kritik zerrissen, ein wirtschaftlicher Flop.

„Der Große Diktator“ und „Sein oder Nichtsein“ konnten Hitler noch relativ zwanglos persiflieren, weil sie in gewisser Weise unschuldig waren. Zwar thematisierten beide den Terror der Nazis gegen Juden und Polen – vom unvorstellbaren Ausmaß des Holocausts wussten die Regisseure indes noch nichts. „Hätte ich etwas von den Schrecken der deutschen Konzentrationslager gewusst, ich hätte den Großen Diktator nicht zustande bringen, hätte mich über den mörderischen Wahnsinn der Nazis nicht lustig machen können“, sagte Chaplin 1964.

Nach dem Krieg war den Menschen im Angesicht des Holocausts das Lachen vergangen. Nicht einmal ernsthaft wollte man sich im Kino mit Hitler auseinandersetzen, und jedes Mal, wenn es doch geschah, war die Kritik groß. Einen solchen Massenmörder kann man gar nicht fiktional darstellen, hieß es. Das war 1955 so, als Georg Wilhelm Pabsts „Der letzte Akt“ in die Kinos kam, in dem der Burgschauspieler Albin Skoda einen total entmenschlichten Hitler mimte, das war 1973 so, als Alec Guinness in „Hitler - die letzten zehn Tage“ den Führer spielte, und auch 2004, als Oliver Hirschbiegels „Der Untergang“ und ein Jahr danach Heinrich Breloers „Speer und Er“ herauskamen, gab es die Diskussion: Darf man Hitler menschlich darstellen? Darf man ihn überhaupt darstellen?

Denn natürlich besteht die Gefahr, dass Hitler dadurch seinen Schrecken verliert. Wenn sich Bruno Ganz als Hitler bei der Köchin für die vegetarischen Nudeln bedankt („Danke, das war sähr got!“) ist das unabsichtlich komisch, und wenn Tobias Moretti als Hitler in „Speer und Er“ mit einem quietschenden Expander die Oberarmmuskeln trainiert, damit er bei den stundenlangen Paraden nicht schlapp macht („Achten Sä mal darauf, Speer, wie oft der Göring den Arm absätzen muss!“), da spürt man, dass der Regisseur der Ironie einfach nicht widerstehen konnte.

Aber eine reine Satire über Hitler? Heißt über ihn zu lachen, nicht auch über den Holocaust lachen? Nein, sagte Regisseur Mel Brooks, solange man Hitler vom Holocaust trennt. Brooks war 1968 der erste, der sich im Kino über Hitler lustig machte, und er ist so etwas, wie der Mehrfachverwerter des Hitler-Witzes. 2001 schrieb er eine äußerst erfolgreiche Broadwayversion des Stückes, vergangenes Jahr folgte ein Kinoremake mit Uma Thurman und Matthew Broderick, und bereits 1983 spielte er in einem Remake von „Sein oder Nichtsein“ Hitler selbst, oder besser gesagt: Mel Brooks spielte Mel Brooks mit Hitlerbärtchen, kalauernd und zotig. Dieser Hitler war keine Satire auf den real existierenden Adolf mit all seinen übertriebenen Gesten, mit seiner Lächerlichkeit. Es war ein enthitlerisierter Adolf.

Steven Spielberg gönnte Hitler 1989 einen komischen Kurzauftritt in „Indiana Jones – Der letzte Kreuzzug“. Anlässlich der feierlichen Bücherverbrennung zu Berlin rumpelt Indiana Jones unabsichtlich mit Hitler zusammen, der dem verblüfften Helden ungewollt ein Autogramm ins Büchlein krakelt. Gesagt hat Hitler bei seinem Auftritt nichts.

In Deutschland selbst tat man sich am schwersten mit dem Lachen über Hitler. „Der Große Diktator“ konnte erst 1958 in ein paar deutschen Kinos gezeigt werden, „Sein oder Nichtsein“ erst 1960. Große Kassenschlager waren sie auch dann nicht, was kein Wunder war, denn wie sollte sich eine Gesellschaft, die sich noch nicht einmal ansatzweise mit ihrer Vergangenheit auseinandergesetzt hatte, über ihre Blödheit, einer solchen Witzfigur nachgelaufen zu sein, lachen können?

Große Hitlersatiren für ein Massenpublikum gab es in Deutschland bis dato nicht. Natürlich kam Berufsprovokateur Christoph Schlingensief nicht an Hitler vorbei, und das gleich zweimal. 1986 ließ er im Experimentalfilm „Menü total“ einen etwas entrückten Hitler auf einem Balkon eine Rede halten (damals schon: Helge Schneider), drei Jahre später machte er dem Führer mit „100 Jahre Adolf Hitler“ dann noch ein feines Geburtstagsgeschenk. Er sperrte neun Menschen zusammen, und filmte sie 16 Stunden lang am Stück. Es ging um die letzten Tage im Führerbunker. Udo Kier als Hitler hängte sein Gesäß in eine Farbschüssel und machte einen feinen Abdruck an die Wand. Der Aufruhr war verhalten.

Das Tabu „Lachen über Hitler“ wurde aber erst richtig in den letzten zehn Jahren gebrochen, über Umwege. 1997 zeigte Roberto Benigni mit „Das Leben ist schön“, dass sogar Lachen im Holocaust möglich ist, und 2004 zeigte Bruno Ganz, dass Hitler, sehr zum Erschrecken vieler, ein Mensch war. Der Film und die Diskussion darüber waren der Wegbereiter für Dani Levys Satire. Einen Anti-Untergang wollte er machen. „Ich will diesem zynischen, psychisch verwahrlosten Menschen nicht die Ehre einer realistischen Darstellung gewähren.“ So bedient er sich Anleihen aus den Klassikern der Hitlersatire. Wie im „Großen Diktator“ wählt auch er die Konstellation verfolgter Jude – verfolgender Diktator, auch hier kommt ein Globus vor, der Hitler allerdings als Aufbewahrungsort für seine Medikamente dient, und auch hier hält der Jude an Hitlers statt die Schlussrede.

Dazwischen ist viel Klamauk und wenig Witz, bis die Friseuse dem Hitler versehentlich sein Markenzeichen absäbelt. Dann sitzt er da, ganz ohne Hilter-Bürste, und ist plötzlich auch kein Hitler mehr. Die Bedeutung kommt erst mit dem Bart. Wie armselig das ist. Und wie witzig.

Peter Kasza

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