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Kultur: "Hier ist es wie im Krieg" - eine Studie über die "braune Gefahr"

Wo steckt die DVU? Diese Frage stellte sich eine Berliner Journalistin, als sie im Mai 1998 nach Ansprechpartnern der Rechtspartei fahndete.

Wo steckt die DVU? Diese Frage stellte sich eine Berliner Journalistin, als sie im Mai 1998 nach Ansprechpartnern der Rechtspartei fahndete. Tagelange Recherchen erbrachten vier Telefonnummern im gesamten Bundesgebiet, von denen zwei halbtags bedient wurden. Wenige Wochen zuvor war die Deutsche Volksunion mit 12,9 Prozent der Wählerstimmen in den Landtag von Sachsen-Anhalt eingezogen und hatte die etablierte Politik nachhaltig geschockt. Die Phantomtruppe des Münchner Verlegers Gerhard Frey sorgte kürzlich für neue Schlagzeilen, als sie in Brandenburg trotz Unregelmäßigkeiten bei ihrer Kandidatenaufstellung die Fünf-Prozent-Hürde übersprang.

Wie kommt es zu den Erfolgen der rechten Parteien in Ostdeutschland? Welche Denkmuster verbergen sich hinter ihren Parolen? Diese Frage stehen im Mittelpunkt eines Sammelbandes des "Elefanten Press"-Verlages über die "braune Gefahr". Obwohl manche Zeile für oberflächliche Polemik verschenkt wird, gewährt das Buch fundierte Einblicke in das rechtsextreme Spektrum der Bundesrepublik. Am 16. Januar 1971 gründete sich die DVU als Protestverein gegen die sozialliberale Ostpolitik. Sie verstand sich nach dem Scheitern der NPD bei der Bundestagswahl 1969 als neues Sammelbecken von Rechtskonservativen und Nationalisten. Der Vorsitzende Frey, von dem die Partei bis heute finanziell und organisatorisch abhängig ist, polemisierte gegen Brandt und wollte der CDU/CSU "ein Rückgrat einziehen". Programmatisch hält es seine Truppe eher mit dem gewalttätigen Umfeld. Rassismus, Militarismus und die Relativierung des Holocaust sind die Themen.

Einen Grund für die Ideologie vermutet Herausgeber Jens Mecklenburg im persönlichen "Trauma" des Parteichefs vom gescheiterten Kriegszug der Wehrmacht. Auf der ersten öffentlichen Veranstaltung der DVU bekundete Frey seinen Willen, "den Zweiten Weltkrieg auf lange Sicht politisch zu gewinnen". Die Rehabilitierung des Nationalsozialismus wurde zur Lebensaufgabe des Verlegers - und zur Grundlage eigenen Reichtums. Mit einem Medienimperium, dem unter anderem die "Deutsche Wochen-Zeitung" und die "Deutsche National-Zeitung" angehören, sichert sich Frey die Meinungsführerschaft im rechten Spektrum.

Das Nachsehen hat vor allem die NPD, die in den sechziger Jahren noch das nationale Lager hinter sich scharte. Danach schlitterte die Partei in eine personelle und programmatische Krise, von der sie sich erst in den vergangenen Jahren schrittweise erholte. Mittels einer gezielten Radikalisierung gelingt es den Nationaldemokraten, verstärkt ostdeutsche Jugendliche an sich zu binden.

Über die "Republikaner" erfährt der Leser leider wenig. Die Analyse des FU-Professors Hajo Funke wartet mit "sinngemäßen" Zitaten auf und beschränkt sich auf drei unabhängige Literaturquellen. Warum der Autor die Politik des Rep-Vorsitzenden Rolf Schlierer als gescheitert ansieht, bleibt angesichts fehlender Belege ein wenig unklar.

Weitaus spannender sind zwei Beiträge des Berliner Kriminologen Bernd Wagner, welche die braunen Milieus in den neuen Bundesländern ausleuchten. Sie zeigen eindrucksvoll, dass sich bereits in der zerbröckelnden DDR-Gesellschaft ein Nazi-Kult entwickelte. Wagner konstatiert die Sehnsucht nach "wahrer Gerechtigkeit" und einer "Volksgemeinschaft". Noch heute greifen ostdeutsche Kameradschaften auf Bilder der SED-Ideologie zurück, um soziale Kompetenz zu heucheln und militärische Standfestigkeit zu beweisen.

Wie salonfähig rechtes Gedankengut zwischen Oder und Elbe geworden ist, zeigt eine Reportage des Tagesspiegel-Redakteurs Frank Jansen. In einer präzisen Studie beschreibt er die Erlebnisse von Familie Schröder aus dem brandenburgischen Belzig. Sie hatte 1994 einen ghanaischen Asylbewerber in ihre Wohnung aufgenommen und bekam im Anschluss daran den Hass der gesamten Kleinstadt sehr deutlich zu spüren. Der afrikanische Gast, der Opfer von zwei brutalen Überfällen jugendlicher Skinheads wurde, geriet zur Zielscheibe täglicher Pöbeleien und Drohanrufe. Sein Resümee nach vier Jahren Brandenburg lautete: "Hier ist es wie im Krieg."Jens Mecklenburg (Hrsg.): Braune Gefahr. DVU, NPD, REP - Geschichte und Zukunft. Elefanten Press Verlag, Berlin 1999. 299 S. 39,90 DM.

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