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Kultur: Hier, jetzt, immer

Zum Tod des Lyrikers Rainer Malkowski

„Dies ist ein Morgen / zu schön / um nicht an den Tod zu denken“ – so beginnt ein Gedicht aus Rainer Malkowskis spätem Debütband „Was für ein Morgen“ (1975). In allen seinen acht bei Suhrkamp erschienenen Gedichtbänden bedachte Malkowsi das Lebensende und den Tod im Leben. Schon in Titeln wie „Zu Gast“ (1983) und „Was auch immer geschieht“ (1986), der in der Illusionslosigkeit des Verlustes den Anspruch des Weitermachens evoziert und Malkowskis Dichtung auch als eine Kunst des Nichtgesagten demonstriert: „Wie die Welt im Verlust / sich ereignet, / versteht jeder / allein.“ Am Montag ist er nach langer Krankheit gestorben.

Zehn Jahre lang hatte der 1939 in Berlin geborene Autor Karriere als Werbetexter in Frankfurt und Düsseldorf gemacht, bis er als Geschäftsführer einer großen Agentur ausstieg und seit 1972 mit seiner Frau in Brannenburg am Inn als freier Schriftsteller lebte. 1999 wurde er für sein Werk mit dem Joseph-Breitbach-Preis ausgezeichnet. „Unsere Lieblingsgedichte sind wahrscheinliche jene“, schrieb er einmal, „bei denen wir am deutlichsten fühlen, dass sie uns sehend machen.“ Entsprechend ist das emphatische Sehen das wichtigste Feld von Weltaneignung in Malkowskis Poesie. Seine lyrische Sprache hatte von Anfang an einen unverwechselbar lakonischen Ton. Im Gestus der Zurückhaltung sind seine Gedichte von zarter strenger Schönheit und einer nicht selten ironisch gefärbten skeptischen Gelassenheit.

Zwischen „Neuer Subjektivität“ der 70er Jahre und traditionalistischen Tendenzen der 80er behauptete Malkowski eine eigenständige Position und versuchte ein „Sprechen aus der poetischen Selbstverständlichkeit heraus“ (Karl Krolow) – auch in den oft nur wenige Zeilen langen Prosatexten von „Im Dunkeln wird man schneller betrunken“ (2000). Als Selbstverständigungsversuche blieben seine Gedichte ihren Gegenständen treu – in der Vereinzelung, in der sonderbaren Tröstung der Natur wie in Momenten sinnlichen Glücks. Im Genre der Alltags-Beobachtungen, in Form von Erinnerungen, in Porträts und Darstellungen exemplarischen Lebens, Liebesgedichten und nicht zuletzt im Lesen und Schreiben. Auch wenn Malkowsi sich dem Augenblick widmet, sind seine Gedichte nicht Momentaufnahmen, sondern Raum schaffende Gebilde mit dem großen Sujet Zeit. Im Frühjahr erschien bei Hanser sein letztes Buch, in dem er Hartmann von Aues „Armen Heinrich“ in alltagsnaher Rede in die Gegenwart transponierte. Poetologisch stellte er keine Programme auf. Er machte Gedichte. Woran er arbeitete, verrät vielleicht eine Sentenz der letzten Jahre: „Das Einfache ist der unverstellte Zugang zum Komplexen.“

Thomas Betz

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