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Kultur: Hier kocht der Chef

Der Regierende Kulturmeister Klaus Wowereit schlägt sofort harte Töne an

Als einziger Berliner Spitzenpolitiker hat Klaus Wowereit seine Karriere maßgeblich über die Kultur aufgebaut. Für andere gilt Kulturpolitik eher als Strafmandat, doch Wowereit hat damals, in den neunziger Jahren, begriffen, dass dieser Bereich für die Stadt von grundlegender Bedeutung ist. Unvergessen seine machtvollen und für manchen Intendanten quälenden Auftritte, als er bei den Sitzungen des sogenannten Unterausschusses Theater gut informiert das große Wort führte; in diesem Gremium geht es für die Kultur ums Geld, während im Kulturausschuss vornehmlich debattiert wird.

Doch allzu große Töne machen stutzig. „Kultur ist dann beim Regierungschef angesiedelt. Schwergewichtiger kann es nicht sein“, verkündete Klaus Wowereit bei der gestrigen Vorstellung des neuen Senatsgefüges. Die Kultur soll in der Senatskanzlei angesiedelt werden – politisch verantwortlich ist dann der Regierende Bürgermeister höchstselbst. Ein Novum in Berlin, das nun einen Regierenden Kulturmeister bekommt.

Klingt gut – nur ist es leider vom Grundsatz her keine gute Idee, ein Fachressort in der Regierungszentrale mitzubetreuen. Entweder lässt der Regierungschef seine Kernaufgabe schleifen, um sich seinem Lieblingsgebiet zu widmen – oder, dies die Erfahrung aller bisherigen Angliederungen von Fachressorts an Staatskanzleien, das betreffende Fachgebiet wird zur Nebenaufgabe degradiert. In Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein kann derzeit beobachtet werden, inwieweit die Kultur als Nebenbeschäftigung der Staatskanzlei taugt.

Wenn die Berliner Politik jedoch Kultur – wie auch Wissenschaft – als Zukunftsressource der Stadt ernst nimmt, müsste sie dies im Senatsgefüge durch ein eigenes Amt mit voller Verantwortlichkeit ausweisen. Stattdessen landet die Kultur in der Senatskanzlei, schlimmstenfalls als hübscher Zierrat beim Regierenden, der sich fortan die Gelegenheiten gewiss nicht entgehen lassen wird, um als Eröffnungsredner und Premierenfeierer in Erscheinung zu treten.

Bleibt nur eine Rechtfertigung für diese Lösung: die personelle Konstellation am Hofe Wowereits. Mit André Schmitz leitet ein Kenner der Kulturszene die Senatskanzlei, der ohnehin ministrabel wäre. Nur will ihn Wowereit nicht aus der Organisation seiner Regierungstätigkeit entlassen. Kann Schmitz, der Castorfs Volksbühne mit aufgebaut hat und die Deutsche Oper einst durch schwere Wasser schiffte, beide Aufgaben schultern? Man darf es annehmen, liefen doch bislang schon wichtige Entscheidungen über seinen Schreibtisch, weil Wowereit mit dem scheidenden Kultursenator Thomas Flierl über Kreuz lag.

Nur werden sich Schmitz und sein Chef künftig auch mit den weniger fundamentalen Dingen des Kulturbetriebs abgeben müssen, jenseits beispielsweise der Opernwelt, in der sich Schmitz zu Hause fühlt. Das Land Berlin hat in den vergangenen Jahren an den Bund abgegeben, was immer nur möglich war, um sich finanziell zu entlasten – und ist mit einem Mal nur noch Mitspieler in der eigenen Metropole, die ohne Bundesgelder kulturell verhungern müsste. Wenn die Ansiedlung der Kultur beim Regierenden das Signal sein sollte, von der bisherigen Schlussverkaufsmentalität abzurücken und eine kraftvolle Landespolitik zu führen – umso besser. Die Sache birgt auch für den Regierenden nicht eben kleine Risiken. Sollte eines Tages entgegen den vielfachen Beteuerungen doch eine Kulturinstitution geschlossen werden, dann wäre Wowereit dafür unmittelbar verantwortlich und hätte den folgenden Imageschaden selbst zu tragen.

„Schwergewichtig“ – dieses Wort gibt den Maßstab vor, an dem sich Wowereit wird messen lassen. Den Tönen müssen Taten folgen. Und zwar von Gewicht.

Wohlan: Wowereit will sich als Erstes um die komplette Übernahme der Staatsoper Unter den Linden durch den Bund bemühen. Es bestehe kein Zweifel daran, dass die marode Staatsoper umfassend saniert werden müsse, betonte Wowereit gestern. Berlin habe nach der abgewiesenen Verfassungsklage kein Geld dafür: „Der Sanierungsbedarf besteht nicht nur für das Gebäude. Ich möchte eine grundsätzliche und dauerhafte Lösung.“

Die Opernfrage ist für die Berliner Kulturpolitik von entscheidender Bedeutung. Michael Schindhelm, Generaldirektor der Berliner Opernstiftung, kann sich auf einiges gefasst machen. Wowereit hatte Schindhelm bereits im Wahlkampf gerüffelt. Nun erklärt er, dass die Mittel für die Stiftung auf keinen Fall erhöht würden. Schindhelm sei gerufen worden, „um die Opernstiftung erfolgreich zu gestalten“. Er gehe davon aus, dass Schindhelm bald sein Konzept für die Opernstiftung vorlege: „Wenn er seinen Auftrag gut erfüllt, wird er bleiben.“

Der neue Stil wird schon erkennbar, noch bevor Wowereit das Zepter führt: rau und drohend. Senator Flierl ist in den vergangenen fünf Jahren eher durch Zurückhaltung und stilles Leiden aufgefallen. Diese Zeiten sind vorbei.

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