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Kultur: Hier sind die schönen Augenblicke

Das Konzerthaus startet mit „Figaro“ in die Saison.

Am Gendarmenmarkt hat man guten Grund, freudig die neue Spielzeit zu begrüßen. Ivan Fischers erstes Jahr als Chef des Konzerthausorchesters hat die Musiker beflügelt und Besucher dazu animiert, auch Überraschungskonzerte und öffentliche Generalproben zu besuchen. Gerade hat sich sein Orchester dafür ausgesprochen, Fischers Vertrag zu verlängern – einstimmig. Was es sich mit ihm einhandelt, zeigt der Maestro mit unwiderstehlicher Lässigkeit zum Saisonstart mit Mozarts „Le nozze di Figaro“. Fischer bringt sein in Budapest und unlängst in New York erprobtes Konzept für ein szenisches Konzert mit nach Berlin. Der Dirigent agiert dabei auch als Regisseur, eine zwingende Folge seiner gereiften Ablehnung von klassischen Opernhäusern und ihrem kaum zu überwindenden Machtkampf zwischen musikalischer Texttreue und entfesseltem szenischen Interpretationsdrang. Das kann Reibungsverluste bis zum Stillstand auslösen.

Ein Horror für Ivan Fischer, den charmanten Arbeiter an musikalischen Langzeitbeziehungen. Er setzt lieber in Gang, was bislang ungenutztes Potenzial war, diesmal etwa die Züge im großen Konzerthaussaal. Mit ihrer Hilfe schweben Kostüme von der Decke herab, als Requisiten im Intrigenspiel um Stand und Liebesvermögen. Schon die Ouvertüre wirbelt lustvoll Konzertgewohnheiten durcheinander: Das Orchester ist in vier Gruppen versprengt, der Dirigent nicht allmächtig in der Mitte postiert, sondern als Zuhörer und Strippenzieher ohne Podest auf dem Podium unterwegs. Dabei zeigt Fischer keinerlei Scheu vor fliegenden Sesseln und hereinsausenden Kostümen. Sein Orchester hat er auf einen geistesgegenwärtigen, völlig unverkrampften Mozartton eingeschworen, der sich bis zum hintersten Horn bruchlos fortspinnt. Das Ensemble, gerade in New York gefeiert, ist so auf einander eingespielt, wie man es sich von Repertoirehäusern immer erhofft. Hanno Müller-Brachmann hat hier hörbar mehr Spaß an seinem Figaro als noch an der Staatsoper, Roman Trekel als Graf ebenso. Die Susanna von Laura Tatulescu scheint von keiner Routine berührt. „Dove son’ i bei momenti?“, fragt sich Miah Perssons noble Gräfin. Fischer gibt darauf eine gefeierte Antwort. Ulrich Amling

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