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Kultur: Hilmar Pabel: Ein Humanist der Kamera

1987 betrat Hilmar Pabel das Zimmer eines Amtsrichters und knallte ihm sein Bundesverdienstkreuz auf den Tisch. Dieser hatte Pabels Tochter verurteilt, weil sie an einer Sitzblockade der Zufahrt des amerikanischen Pershing-II-Depots in Mutlangen teilgenommen hatte.

1987 betrat Hilmar Pabel das Zimmer eines Amtsrichters und knallte ihm sein Bundesverdienstkreuz auf den Tisch. Dieser hatte Pabels Tochter verurteilt, weil sie an einer Sitzblockade der Zufahrt des amerikanischen Pershing-II-Depots in Mutlangen teilgenommen hatte. Für den Pressefotografen war politisches Handeln an der Tagesordnung. Er drückte den Auslöser nicht nur, um Zeit zu konservieren. Der am 17. September 1910 in Rawitsch in Schlesien geborene Pabel verstand Fotografie vielmehr als ein Instrument gegen Gewalt, Not und Hunger. In der Szenerie vor seinem Objektiv war immer der Mensch Hauptdarsteller - unverfälscht und unmittelbar agierend. Großen Ruhm erlangte der Fotograf durch die Reportagen für "Quick", "Life" und den "Stern", dessen Chefredakteur ihn 1961 als "Humanist unter den Bildjournalisten" bezeichnete. Unvergessen sind seine Fotos vom Kriegsschauplatz Vietnam und vom sowjetischen Einmarsch in Prag.

Pabel vermochte seinen Aufnahmen Authentizität und den Schnappschüssen einen Hauch von Ewigkeit zu verschaffen. Seine Präsenz auf den Bildern ist spürbar, denn sie zieht den Betrachter ins Geschehen, die Vergangenheit wird gegenwärtig. Solch ein Zeitsprung gelingt nur jemandem, dessen Auge sich nicht betrügen lässt und dem Beliebigkeit fremd ist.

Als 14-Jähriger ging er mit einer Kastenkamera auf die Motivsuche. 1935 machte er sich als Fotograf selbstständig, arbeitete bei der "Neuen Illustrierten Zeitung" und im "Deutschen Verlag". Pabel, der während des Zweiten Weltkrieges propagandistische Aufnahmen machte, begriff sich nach Kriegsende als Pazifist. Für das Deutsche Rote Kreuz fotografierte er in Waisen- und Krankenhäusern für die Plakataktion "Verlorene Kinder suchen ihre Eltern". Zahlreiche Familien konnten so wieder zusammengeführt werden. Dass Bilder etwas bewirken, dass sie Macht haben und die Spielart dieser Macht vom Auge hinter der Kamera abhängt, das hatte Pabel erfahren. Aus dem Kriegsberichterstatter wurde ein Anwalt der Opfer. Hilmar Pabel ist am Montag, wenige Wochen nach seinem 90. Geburtstag, in Alpen bei Wesel gestorben.

Heike Kunert

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