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Wer etwas weiß, soll es weitergeben. Ilse, 94, Kulturgeschichtlerin.

© Gabriele Kostas

Hingehen: Ausstellung Europas neue Alte: Heute ist alles besser

Alt und grau? Nein, alt und mit sich zufrieden: Fotografin Gabriele Kostas porträtiert 32 betagte Menschen in der Berliner Schau "Europas neue Alte."

Ruhestand? Auf keinen Fall! Leila, 84, aus Georgien sitzt seit 59 Jahren als Archäologin am selben Arbeitsplatz, einem schweren Holzschreibtisch, und begutachtet mit gefurchter Stirn und kritischem Blick ein Artefakt, dass sie aus einem Schächtelchen geborgen hat. Jahrelang hat sie frühmorgens zusätzlich als Putzfrau gearbeitet, um über die Runden zu kommen.

Müßiggang? Na, aber! Hans-Georg, 76, aus Deutschland ist froh, dass er endlich Zeit zum ausgiebigen Zeitungslesen hat. Seine Stirn ist glatt. Mit übergeschlagenen Beinen, das Jeanshemd locker über der Segelhose, sitzt entspannt in einem weißen Sessel und ist in seine Tagesspiegel-Lektüre vertieft.

Die beiden gehören zu den 32 Menschen im Alter von 65 bis 97 Jahren, die die Fotografin Gabriele Kostas in ihrer hoffnungsfrohen fotoessayistischen Ausstellung "Europas neue Alte" im Museum Europäischer Kulturen in Dahlem vorstellt (bis 26. Januar 2017, Di-Fr 10-17, Sa/So 11-18). Abgesehen von der nicht wahnsinnig überraschenden Erkenntnis, dass das Leben im Alter je nach Herkunft, Bildung und Stand genauso divers ist wie in der Jugend, erfreut an den Fotos ebenso wie an den damit kombinierten Biografien und Selbstauskünften der Porträtierten das Selbstbewusstsein und die Zufriedenheit. Sei es die 94-jährige Deutsche Ilse, die getreu ihres Mottos „Wer etwas weiß, soll es weitergeben“ noch immer Kulturgeschichte unterrichtet. Der 72 Jahre alte Georgier Hegumen Ilia, dessen erstes Leben als kommunistischer Politiker endete, als seine Frau starb, er die Religion für sich entdeckte und der heute nun als Klostervorsteher lebt. Oder der Schwede Ingemar, der nach einem harten Arbeitsleben mit manchmal nur einem einzigen freien Tag im Jahr, im Alter von 73 Jahren die Freiheit auf dem Sattel eines Motorrads gefunden hat.

In Fragebögen geben viele, selbst die armen, eine im Alter gestiegene Zufriedenheit an. Auch optisch sind sie keine Sklaven des Jugendwahns. Nein, sie nehmen offensichtlich einfach ihr Leben wie ihr Alter an. Und fühlen sich trotzdem nicht betagt. Besonders gut klappt das, wenn Familie da ist und wenn was zu tun ist. Wobei die Porträts auch keine gebrechlichen Alten zeigt, sondern jene, die ihres Glückes Schmied sind. Indem sie einfach weitermachen oder plötzlich etwas ganz Neues anfangen.

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