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„Horizont Öl und LW“ (Ausschnitt) aus Strawaldes Zyklus "Malzeit" in St. Matthäus, Berlin.

© Galerie Born Berlin (2016

Hingehen: Strawalde "Malzeit" in Berlin: Frühlicht, aprikosenfahl

Der Maler Strawalde, der eigentlich Jürgen Böttcher heißt, ist auch ein großer Filmregisseur. Zwei Ausstellungen feiern den Berliner Universalkünstler zum 85. Geburtstag.

Mittags am Kulturforum. Keine Menschenseele da, nur drei versprengte Japaner irren auf der Piazzetta herum. Die Sonne gleißt. Nirgends eine Mitte, nur unbehauster Raum. Leidlich aufgeräumt, das ja, aber unwirtlich in der mangelnden architektonischen Konzentration.

Die Türen der St.-Matthäus-Kirche stehen offen. Glocken läuten. Licht erfüllt die weiß getünchte, sparsam möblierte dreischiffige Halle. Sie scheint zu atmen wie ein Körper. An der Stirnseite, in der Altarapsis zieht ein Bild in seinen Bann. Schwarze, dynamische Formen auf weißem Grund, regiert von einer Scheibe, die glänzt wie eine Schallplatte und als eine Art Auge Gottes im oberen Bilddrittel sitzt. Das reduzierte Farbspiel in Öl harmoniert mit den dunkelgrauen Steinplatten von Altar und Fußboden. Was für eine unendliche Erleichterung doch ein Zentrum im Raum ist! Der Blick saugt sich wie von selbst daran fest. Es geht eine kleine Ewigkeit ins Land bevor er einen einsamen, in der Kirchenbank betenden Mann und weitere Bilder registriert.

Acht Ölgemälde hängen längs der Seitenschiffe, darunter Frauenbildnisse von leuchtender Farbigkeit, von Gelb und Rot dominierte Abstraktionen und ein hinreißendes Pinselstrichgewitter von vornehmer Blässe mit dem sprechenden Titel „Frühlicht (aprikosenfahl)“. 2,20 mal 1,70 Meter messen die neun Gemälde, die der in Berlin lebende Jürgen Böttcher, genannt Strawalde, innerhalb von drei Monaten für die Kirche gestaltet hat. Der Zyklus heißt „Malzeit“ (bis 18. 9., Di–So 11–18 Uhr, Matthäikirchplatz, Tiergarten) und entwickelt gemeinsam mit der Aura des Sakralraums eine bezwingende Kraft. Kaum zu glauben, dass der auch als viel geehrter Filmregisseur tätige Universalkünstler am 8. Juli seinen 85. Geburtstag gefeiert hat. Aus diesem Anlass zeigt er in der Galerie des Ratskellers Lichtenberg auch erstmals eine Ausstellung seiner Fotografien (bis 2. 9., Mo–Fr 10–18 Uhr, Möllendorfstr. 6). Ach ja: Der Titel des perfekten Altarbilds lautet „Requiem“.

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