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Kultur: Hinter dem Schein

Eine Soloschau zeigt Adolf Luthers Lichtkunst

Anfangs lässt Adolf Luther das Licht verschwinden. Im Schwarz der frühen Arbeiten, in denen sich die Farbe zu einem aufgewühlten Meer verdichtet. Sein „Materialbild Schwarz“ von 1959 (28 000 €) bietet dem Auge wenig mehr als breite Pinselspuren in einer Farbmasse aus Kalk und Pigmenten, die den Gestus des Informel nachahmen. Als sei diese individuelle Art der Handschrift, die nach 1945 in der deutschen Malerei so intensiv gepflegt wird, über die Zeit komplett erstarrt.

Tatsächlich macht sich Luther zwei Jahre, nachdem er seine Tätigkeit als promovierter Richter aufgegeben hat und sich ganz der konkreten Kunst widmet, auf die Suche nach einer übergeordneten Methodik. Einem Raster, das nicht länger Emotionen widerspiegelt, sondern ein wissenschaftliches Phänomen. Als Träger fungieren seine Bilder, die pure Oberfläche sein wollen und deren Beschaffenheit man sofort erkennt: Glas, Metall, reflektierende Folien oder Acryl. Erst im Zusammenwirken ihrer Materialien mit Licht entstehen jene autonomen Kunstwerke, die sich immer wieder neu anschauen lassen. Ein frühes Beispiel dafür ist „Struktur für Licht“ von 1962, eine ebenfalls schwarze Arbeit (19 000 €). Hier ragen eingefärbte Hühnereier aus dem Gips, auf denen Deckenlampen und Tageslicht in der Galerie 401 Contemporary ein Spiel mit den plastischen Qualitäten des Bildes beginnen.

Luther zählt zu jenen Künstlern aus dem Umfeld der Zero-Bewegung, die es noch wiederzuentdecken gilt. Auch wenn zwei seiner Arbeiten zusammen mit denen von Heinz Mack und Otto Piene während der spektakulären Versteigerung der Sammlung Lenz bei Sotheby’s in London 2010 weit über Schätzwert verkauft wurden, ist der Name vielen unbekannt. Eine Lücke, die Galerist Ralf-Otto Hänsel mit Hilfe der Adolf-Luther-Stiftung schließen will. Seine erste Berliner Soloschau des 1990 in Krefeld verstorbenen Künstlers präsentiert Werke aus allen Phasen, die mit den Arbeiten der Sammlung Lenz problemlos konkurrieren: Materialbilder, für die Luther Glas zertrümmert, wieder hinter Glas zu beweglichen Objekten arrangiert und dazu notiert: Die Flaschen springen in Scherben. Ihre frischen Kanten leuchten im Licht auf. Ein großes Erlebnis.“

Er hat Linsen konstruiert, mit Rauch experimentiert und Hunderte von kleinen Hohlspiegeln montiert, die abstrakte, teils kinetische, manchmal wandgroße Motive ergeben. Am deutlichsten konstituiert sich Luthers Streben wohl im unverkäuflichen „Laserraum“ von 1970. Ein Ort, an dem sich die roten Linien des Lasers in unzähligen „Spiegel-Bildern“ brechen und eine betörendes optisches Erlebnis bieten. Das macht ihn zum Pionier diverser künstlerischer Strömungen der Gegenwart. Im Februar vergangenen Jahres hat Hänsel in seiner Londoner Dependance Arbeiten der jungen Berliner Künstlerin Alicja Kwade denen von Luther gegenübergestellt und kürzlich ein studentisches Kollektiv aus der Klasse von Olafur Eliasson in seine Galerie an der Potsdamer Straße geladen – um die Spuren von Adolf Luther aufzuzeigen, die bis heute sichtbar sind. „Es gibt eine Welt hinter diesem Schein, die sich auch darstellen lässt“, notiert der Künstler 1952 in sein Tagebuch. Luther hat sich an die Arbeit gemacht. Im Wissen darum, dass es ein erster Schritt in einem immerwährenden Prozess ist. Christiane Meixner

Galerie 401 Contemporary, Potsdamer Str. 81b; bis 31. Juli, Di-Sa 11-18 Uhr

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