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Kultur: Hinter dieser Fassade lebte er ein Doppelleben (Kommentar)

Alexander Ludwig Hirtreiter wollte immer nur ein guter Bub sein. Jedenfalls in der Öffentlichkeit.

Alexander Ludwig Hirtreiter wollte immer nur ein guter Bub sein. Jedenfalls in der Öffentlichkeit. Und singen wollte er. Das hatte er schon früh gelernt. Mit 15 ging er zu den Regensburger Domspatzen, kehrte aber bald nach München zurück. Heimweh. Zwei Jahre später trat er zum ersten Mal im Theater auf. "Peterchens Mondfahrt" hieß das Stück. Für den Buben begann eine Reise zu den Sternen. Bald sang er in Musicals, seine Platten waren abonniert auf Hitparadenplätze. Seine Erscheinung als stets gepflegter junger Mann tat den Menschen gut in den sechziger Jahren. Die Stadt Salzburg ehrte ihn sogar als "Leitbild der Jugend". 1972 landete er den Hit, der ihn seit 27 Jahren verfolgt: "Fiesta Mexicana", ein Hochamt der treudeutschen Gemütlichkeit.

Die Jahre vergingen, äußerlich spurlos für Rex Gildo. Immer die das gleiche gebräunte Gesicht, die gleichen schwarzen Haare, das gleiche Lächeln. Ein braver Bub, der nach außen so harmlos wirkte wie ein Regensburger Domspatz. Hinter dieser Fassade lebte er ein Doppelleben. Wahrheit ist nichts, Image ist alles - das oberste Gebot im Show-Geschäft. Dass er mit seiner Cousine verheiratet war und einen wesentlich jüngeren Freund hatte - bis vorgestern hätte das kaum jemanden interessiert. Nun aber fließen die falschen Tränen der Medien, für die Gildo in den letzten Jahren bestenfalls als Spott-Figur taugte. Gern berichteten sie von seinen alkoholbedingten Ausfällen vor irgendeiner Kreishandwerkerschaft. Oder zeigten Guildo Horn, umdekoriert als Rex Guildo. Denn nach zwei Jahrzehnten, in denen nur von "Schlager-Fuzzies" die Rede war, schunkelte die Nation Ende der Neunziger plötzlich wieder. Das vermeintlich ironische Revival - Rex Gildo hielt es wohl für ein Comeback. Plötzlich schien das Leben wieder eine Schlager-Party. Gildo erzählte von den Schlüpfern, die auf die Bühne flögen. Auch durch den selbstgeschaffenen Schleier seiner Wahrnehmung musste er irgendwann merken, dass die Leute sich über seine Lieder lustig machen. Rex Gildo stand für Hossa, Hicks und Hoppla. Eine ausgediente Ikone. Purer Trash. Es hat eine Weile gedauert, bis er es begriff.

25 Millionen Platten hat er verkauft, ein Haus am Ammersee. Er konnte angeblich nicht aufhören, nahm auch noch den Auftritt im Möbelhaus von Bad Vilbel mit. Was immer ihn zum Sprung aus dem Fenster getrieben hat - es bleibt ihm zu wünschen, dass er überlebt und lernt, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen, wenn er die Augen wieder öffnet.

Ralph Geisenhanslüke

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