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HIT Parade: Wir sind Helden

Diese Woche auf Platz 87 mit: „Soundso“

Was den Beruf des Popmusikers immer attraktiv sein lässt, ist sein Aufwandsertrag. Ein paar kreative Minuten auf irgendeinem Sofa mit der Gitarre auf dem Schoß und einer Liedzeile im Kopf verdämmert, reichen mitunter für ein ganzes Leben. Allerdings wird es immer schwieriger zu entscheiden, was nach dem Sofa folgen soll. Die großen Plattenfirmen locken einen nicht mehr mit dem Versprechen ins Studio, notfalls auch das Sofa herbeizuschaffen. Für solche Sperenzien haben sie kein Geld mehr. Ihr Losung lautet: Alles oder nichts!

Was dabei nichts ist, kann man sich vorstellen. Mit Alles meinen die Majors so genannte „360-Grad-Deals“, mit denen sie sich nicht nur wie bisher die Veröffentlichungsrechte an den Songs sichern, sondern an allen Werbehonoraren, Konzerten und dem Verkauf von Fanartikeln, kurz: an der Persona des Stars mitverdienen. Ein Teufelspakt, der Product- in „Experience“-Manager verwandelt und den Musiker zum Tim Thaler macht – seines Lächelns beraubt.

Ein Gegenmodell zu dieser Monopolisierung des Künstlerschicksals stellen Wir sind Helden dar. Nachdem sie mit „Soundso“ ihr letztes Vertragsalbum veröffentlicht haben, stehen sie ohne Plattenfirma da – und überlegen, wie sie es besser machen könnten. Ihr Berliner Hauslabel wird es bald nur noch als Telefonnummer in der Kölner EMI-Zentrale geben. Und dass sich die Konkurrenz um Wir sind Helden reißen wird, die zuletzt mit 200000 verkauften CDs den allgemeinen Abwärtstrend auch nicht korrigieren konnten, ist fraglich.

Im Video zu „Endlich ein Grund zur Panik“ gebärden sie sich als chaotische Superhelden-Truppe. Das Signal: Die Band ist ihr eigenes Team. Vielleicht errichtet sie selbst ihr kleines Allround-Imperium. Immer noch besser, als sich in die Abhängigkeit von Experience-Managern zu begeben. So klärt die Krise der Musikbranche die lange verwischten Fronten zwischen Major- und Indie-Industrie. Die richtige Musik zu hören, könnte wieder eine Frage der Moral werden. Grässliche Vorstellung.Kai Müller

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