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Kultur: Hochhuths "Hebamme": Zuerst gähnt das Publikum - dann die Leere

Der Minusrekord lag bei 41 Besuchern. "Die Hebamme" spiele vor einem gähnend leeren Haus, ging das Gerücht.

Der Minusrekord lag bei 41 Besuchern. "Die Hebamme" spiele vor einem gähnend leeren Haus, ging das Gerücht. Warum ist das bloß so - und wie hält man das als Schauspieler aus?

Wirklich leer war das Theater am Donnerstag nicht, nur sehr licht. Das kann auch an den Hebammen liegen. Die kommen nämlich jetzt kostenlos rein. "Das geht gut", meint man an der Kasse. "Gestern waren zehn Hebammen da, heute auch schon drei". Im Foyer steht ein Büchertisch mit einem Schild: "Der Autor signiert". Dort hätte auch stehen können "Der Regisseur signiert", oder "Der Hausbesitzer signiert". Denn hinter dem Tisch steht Abend für Abend Rolf Hochhuth mit gezücktem Stift. Hochhuth ist in den fünf Wochen Sommerpause alles in Personalunion. Und "verkauft manchmal mehr Bücher als Eintrittskarten", sagt Regieassistentin Ute Bergien. Die, die wissen, was sie tun, sitzen jetzt mit ihren Bücherpaketen in den Reihen. Andere entschuldigen sich leise bei ihrem Nachbarn für den Irrtum bei der Stückauswahl und verschwinden in der Pause. Denn auf der Bühne sprechen die Schauspieler die langen Hochhuth-Sätze. Es sind dieselben Schauspieler, die sehr gut mitbekommen, dass da unten wenig Publikum sitzt, die wissen, dass das Stück mit einer anderen Bühnenüberarbeitung sehr viel besser sein könnte, und deren unermüdliche Vorschläge nur Trotz hervorriefen. Aber statt resigniert den Text runter zu spielen, hat sich um Regine Lutz, die textstarke Hebamme, eine funktionierende Notgemeinschaft gebildet. "Und wenn da unten bloß vierzig sitzen, dann spielen wir halt für die", sagt Horst Jüssen alias Landgerichtsdirektor Bläbberberg entschlossen. Und dann versuchen sie auf der Bühne, den Figuren Leben einzuhauchen.

Aber noch einmal mit Hochhuth will hier keiner. "Er könnte mir das Haus schenken," sagt Jüssen. Hört man den Schauspielern zu, stört sie das fehlende Publikum weniger als der Regisseur. Der vom Autor zum Dreinredner wurde. Der nichts aus der Hand geben könne. Dessen Plakate nicht rechtzeitig raus gingen, weil er sie am liebsten selber malte. Einer, der nach zehn Probentagen einen Reporter rausschmeißt, und dann einen seiner eigenen Schauspieler anherrscht "Und wer sind Sie?" Das liege daran, dass er bei Proben vom Text nicht aufsieht und seine Schauspieler nicht anschaut.

Dann sitzt er im Zuschauerraum ("der einzige, der aus der ersten Reihe Regie führt") und weiß nicht, was ein Hänger ist: "Welche Rolle spielt denn der?". Er sage auch solche Sätze wie "Frauen umarmen sich nicht!". Damit sie das alles aushalten können, geht die Notgemeinschaft nach der Vorstellung zu Buletten und Bier um die Ecke. Und wirkt dort keineswegs geknickt. Im Gegenteil haben sie die gute Laune einer Truppe, die gemeinsam ein Abenteuer bestanden hat. Und sich trotz widriger Umstände zusammengespielt hat. "Erzählt man Hochhuth von Ostermeier, fragt er, wie alt er sei und ob er noch lebt", erzählt Bergien. Inzwischen kann man drüber lachen. Jüssen kommt zum Schluss, dass Hochhuth einfach kein Regisseur sei: "Jede Kindergärtnerin, die ein Ringelspiel organisiert, macht das professioneller." Das sei schade, denn eigentlich könnte Hochhuth den Sommer ja nützen, vielversprechenden Nachwuchs zu fördern. Noch bis Sonntag gibt es die wackere Truppe zum Stück.

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