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Kultur: Hochhuths Stunde?

Strehler? Wekwerth?

Strehler? Wekwerth? Chéreau? Das Berliner Ensemble sucht einen Intendanten und ein Konzept VON CHRISTOPH FUNKE

Die Turbulenzen am Berliner Ensemble haben nun auch die Schauspieler erreicht.Eva Mattes hört auf.Sie steht dem BE nur noch als Gast zur Verfügung, zum Beispiel für Werner Schroeters "Monsieur Verdoux", dessen Premiere für den 22.Dezember vorgesehen war.Ihr sei bereits im August nahegelegt worden, ihr festes Engagement zu kündigen, sagte Mattes in einem Interview.1995 war sie, die von Peter Zadek ins Leitungsdirektorium des Theaters geholt worden war, von diesem Posten zurückgetreten. Das Berliner Ensemble steht am Rand des Abgrunds, durch den Hinauswurf des Regisseurs Einar Schleef und die Abdankung des Intendanten Martin Wuttke.Die gegenüber Schleef ausgesprochene Kündigung war "eigentlich" so ernst gar nicht gemeint, sie sollte eher eine strenge, vorbeugende Strafe sein - aber nun läßt sie sich doch nicht rückgängig machen."Die Weber" von Gerhart Hauptmann, Einar Schleefs nächstes großes Projekt mit dem ganzen Ensemble, entfällt.Und Martin Wuttke weiß jetzt, was er immer schon wußte: Er ist lieber Schauspieler als Intendant. Alles nicht so schlimm, beruhigt man zur Zeit im Hause am Bertolt-Brecht-Platz, jetzt wird in Ruhe ein neuer Intendant gesucht.So sagt Geschäftsführer Peter Sauerbaum, und Stephan Suschke übernimmt erst einmal, vorläufig, die künstlerischen Angelegenheiten. Aber, bleiben wir hartnäckig, was ist mit dem Prinzip der Entwicklung? Zunächst wird "Monsieur Verdoux", inszeniert von Werner Schroeter, mit Martin Wuttke in der Titelrolle (dem die Proben nun großen Spaß machen) im Dezember nicht herauskommen.Vielleicht Anfang Januar.In die Bresche des nach dem Wegfall des "Puntila" zerlöcherten Spielplans sollen B.K.Tragelehn und Frank-Patrick Steckel springen, Tragelehn mit einer Brecht-Inszenierung, Steckel nicht nur als Regisseur, sondern möglicherweise als der neue Intendant.Rolf Hochhuth, Besitzer der Immobilie, hat für dieses Amt Manfred Wekwerth vorgeschlagen, der das Theater von 1977 bis 1991 leitete - auch Heiner Müller wollte (wie aus Gesprächen kurz vor seinem Tod bekannt ist) zum Brecht-Geburtstag den "alten" Intendanten zur Mitarbeit einladen. Aber man will ja alles in Ruhe angehen.Geredet wird auch über Claus Peymann - ob der seinen Wiener Vertrag vorzeitig auflösen würde? Weitere große Namen sind im Gespräch: Giorgio Strehler, Patrice Chéreau.Strehler darf von Brecht spielen, was er möchte, das hat er vom Meister persönlich.Und Chéreau genießt in Deutschland einen legendären Ruf, besonders durch seine "Ring"-Inszenierung in Bayreuth.Und Peter Stein? Schleef, mit dem Stein nicht arbeiten wollte, ist ja aus dem Weg. Weniger zu hören ist über Manfred Karge, der aus dem Berliner Ensemble kommt und Erfahrungen mit Brecht hat.Auch Christoph Schroth, der als Intendant in Schwerin und Cottbus, nicht zuletzt auch als Regisseur im BE die Brecht-Rezeption wesentlich mitbestimmt hat, gehört offenbar nicht zum Kreis der Intendanten-Anwärter.Matthias Langhoff, schon einmal Mitglied des BE-Fünfer-Direktoriums aus dem Jahre 1992, will in Frankreich bleiben, das deutsche Stadttheatersystem hält er für überholt. Die große Frage: wie es nach 1998 mit dem Berliner Ensemble weitergehen soll.Das zähe Beharren auf Brecht-Kontinuität müßte endlich zugunsten eines radikalen Neuanfangs dieses Theaters aufgegeben werden - am Ende doch als Forum lebender Dramatiker, wie Hochhuth es will? Zwischen allen Stühlen sitzt das Ensemble der Schauspieler, wenig angesehen bei den Regisseuren "von draußen".Man brauche Gäste, und immer wieder Gäste, heißt es da.Aber: Wer nichts zu spielen bekommt, kann sich auch nicht bewähren. An den Gesellschaftern Fritz Marquardt, Peter Palitzsch und Peter Sauerbaum liegt es, einen neuen Mann zu finden.Der hundertste Geburtstag Brechts im Februar 1998 steht als Menetekel an der Wand."Es gibt meines Wissens keine genaue Beschreibung der Zukunft", sagte Brecht.

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