zum Hauptinhalt

Hochprozentiger Kunstgenuss: Darauf einen Tannhäuser

Die Hitze setzt der Kunst zu: Ganz gleich ob es um Joseph Beuys' Fettecke geht oder um Sebastian Baumgartners "Tannhäuser" in Bayreuth.

Verdampft bei diesen tropischen Temperaturen eigentlich auch die ein oder andere Kunst? Oder zumindest der Kunstgenuss? Die Frage liegt auf der Hand, wenn in diesen Tagen die großen deutschsprachigen Hochkulturfestivals eröffnen, wenn in Wagners Holzopernhaus auf dem Grünen Hügel in Bayreuth genauso geschwitzt wird wie unter freiem Bregenzer Himmel am Bodensee oder bei den Honoratioren in Salzburg.

Ein Düsseldorfer Künstler-Trio hat in der kniffligen Destillat-Frage nun die Flucht nach vorne angetreten und eine legendäre Fettecke von Joseph Beuys zu hochprozentigem Alkohol verarbeitet. Winterbutter war’s! Beuys’ Witwe ist entsetzt, spricht von einer „unverschämten“ Schnapsidee. Die Täter halten munter dagegen. Von wegen Freiheit der Kunst, außerdem habe man bereits aus Yves-Klein-Blau und Dieter Roth’schen Schokobüsten geistige Getränke hergestellt. Es handele sich nicht um einen Akt der Zerstörung, sondern um Rekreation.

Eat Art war mal der letzte Schrei in der Kunst, kommt jetzt die Drink Art? Schwitzenden Wagnerianern ist sie bereits vertraut. Die Bayreuther Festspiele eröffnen am morgigen Freitag mit der Wiederaufnahme von Sebastian Baumgartens „Tannhäuser“-Inszenierung. Da sieht man vor lauter Biogasanlage samt Tanks, Schläuchen und Alkoholator die Wartburg nicht mehr. Was wiederum zahlreiche selbst ernannte Wagner-Erbverwalter seit der Premiere 2011 entsetzt.

Kein Rausch ist auch keine Lösung

Kein Rausch ist bekanntlich auch keine Lösung, zumal in der Kunst. Da braut sich was zusammen: Wer kein Ticket für die ehrwürdigen Spielstätten in Bayreuth, Bregenz oder Salzburg hat, der kann sich an den Rekreationen erfrischen. Gerne auf ex. Destillate, Surrogate und Konzentrate sind seit jeher Publikumsrenner. „Der ganze Shakespeare in 90 Minuten“ an der Berliner Vagantenbühne. Die Bayreuther Offtheater-Komödie „Richard. Mein Leben“: Biografie im Schweinsgalopp, in zwei Stunden und zehn Minuten. Oder, wieder hier an der Spree, „Der Ring in 100 Minuten“, im Herbst im Atze Musiktheater. Sonst macht Bayreuth sich eher rar in Berlin. Der nette Lebensmittelladen „Fränkische Botschaft“ hat wieder geschlossen, die Punkkneipe „Franken“ in der Oranienstraße nichts mit dem Fichtelgebirge zu tun. Und die Bayreuther Straße ist keine Topadresse für Opernfans, sondern für Heimgesamtkunstwerker, wegen des Baumarkts.

Wenigstens wird der Biogas-„Tannhäuser“ am 12. August als Live-Schalte vom Grünen Hügel ins Cinemaxx am Potsdamer Platz gebeamt. Volle Dröhnung, versprochen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false