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Kultur: Höher, schneller, weiter

Beim "Venice Baroque Orchestra" ist der Name Programm und Erfolgsrezept: Andrea Marcon lässt seine Truppe, die zu Hause "Accademia di San Rocco" heißt, landauf landab venezianische Barockmusik mit Echtheitssiegel spielen. Und als Trumpf ist noch der Teufelsgeiger Giuliano Carmignola angekündigt, der auf CD eine blendende Figur macht.

Beim "Venice Baroque Orchestra" ist der Name Programm und Erfolgsrezept: Andrea Marcon lässt seine Truppe, die zu Hause "Accademia di San Rocco" heißt, landauf landab venezianische Barockmusik mit Echtheitssiegel spielen. Und als Trumpf ist noch der Teufelsgeiger Giuliano Carmignola angekündigt, der auf CD eine blendende Figur macht.

Vom Teufelsgeiger ist am Dienstag im Konzerthaus zunächst keine Spur. Marcon präsentiert erst einmal Vivaldi, Galuppi und Marcello mit Ensemblestücken: die schnellen Sätze wirbelnd, pointiert und mit beständigem Vorwärtsdrang, die langsamen mit Ruhe und Klangsinn und die tänzerischen ausgelassen und manchmal stampfend. Im Adagio des h-moll Konzerts aus "La Cetra" von Marcello empfehlen sich die Geiger des "Venice Baroque" mit geradem, tragfähigem Gesang allesamt als vorzügliche Solisten. Nach dieser "Vorgruppe" zeigt sich Carmignola der Menge, lässt sich noch vom Konzertmeister kurz die Violine stimmen, und spielt lässig ein einziges Vivaldi-Konzert. Nach der Pause sind es immerhin zwei Konzerte, die er bietet: das bekannte, lyrische von Tartini in A-dur und eins von Locatelli mit wahnwitzigen, Paganini-artigen Solopassagen. Spätestens hier und erst recht bei den diversen Zugaben gibt es "Bravos" für so viel Hochleistungssport nach Noten. Höher, schneller, weiter kann keiner.

Wer sich für die feineren Seiten von Musik interessiert, ist in der falschen Veranstaltung. Postmoderne Vielfalt mit romantischem Virtuosentum beim Solisten und historischer Aufführungspraxis im Ensemble wäre ja eine schöne Idee. Aber je später der Abend, desto mehr ist Musik hier mit Geräusch verbunden: Carmignola unterlaufen immer mehr zittrige, kratzige Töne und schiefe Intonation, er überzeichnet die Affekte und nimmt immer mehr Vibrato zu Hilfe. Das ist nur noch selbstverliebter, unkontrollierter Manierismus. Die Vorgruppe ist wie so oft das Beste des Abends. Ein Traum: Einmal das "Venice Baroque" in einem intimeren Saal mit seinem Konzertmeister als Solisten.

Felix Losert

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