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Kultur: Höllisch, britisch, gut

Barnaby Southcombes Film Noir „I, Anna“.

Kaum erkennbar ist der Schauplatz London im Dauerregen unter eisengrauem Himmel. Der wunderbare, ewig unterschätzte Darsteller Gabriel Byrne vergräbt die Hände tief in den Taschen seines Regenmantels, zieht die Schultern hoch und den Kopf ein, als ob er sein übernächtigtes Gesicht verstecken wollte. Byrne verkörpert den wortkargen, zynischen, lebenserfahrenen Polizisten Bernie Reid und steht damit in der Tradition eines Humphrey Bogart, Robert Mitchum oder Robert Ryan, die im Film Noir der vierziger Jahre als Detektive unwiderstehlich waren – auch in der wachsenden Verwirrung, der er bei seinen Recherchen anheimfällt. Die Assoziation ist durchaus beabsichtigt, denn der britische Spielfilmdebütant Barnaby Southcombe will explizit an diese filmhistorische Periode anknüpfen, ästhetisch und motivisch.

Gekippte Perspektiven, schiefe Ebenen, dunkle Gänge, hallende Schritte auf Beton und monochrome Melancholie prägen folglich diesen Film – und die nicht endende Müdigkeit eines altgedienten Detektivs, der einer verletzten, geheimnisvollen Verdächtigen folgt. Wie in den Klassikern der Schwarzen Serie wirkt auch „I, Anna“ weniger durch die eher wirre Handlung als durch seine Atmosphäre – die Attraktivität und Coolness der Protagonisten, die einander belauern, misstrauen, verführen und verraten, schließlich durch spektakulär in Szene gesetzte Schauplätze, die in der Peripherie der Großstadt liegen. Die Femme fatale, für die der Polizist seine Karriere riskiert, spielt Charlotte Rampling, traurig, unerreichbar, verführerisch, ätherisch. Womit sie jenen Frauentyp repräsentiert, der die Männer des Film Noir traditionell um den Verstand bringt.

Hatte die Frau, die Bernie Reid so faszinierend findet, dass er seine Privilegien ausnutzt, um ihre Adresse zu erfahren, tatsächlich Kontakt zum Mordopfer? Soll er sie verhaften und damit vor sich selbst schützen? Er weiß es nicht und gibt sich seiner Faszination hin. Der Zuschauer teilt sie gern, verzaubert durch die emotionslose, spacige Musik des französischen Elektronikduos K.I.D. – sie übt einen merkwürdigen Sog aus, dem man sich kaum entziehen kann. Daniela Sannwald

Blauer Stern Pankow, Cinemaxx,

FaF, Kant, Kulturbrauerei und Passage;

OmU im Babylon Kreuzberg

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