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Kultur: Hör mir zu, schau mich an

Intrige, Eifersucht und Raserei: Das Theater Ramba Zamba zeigt seinen aufregenden Shakespeare-Mix „Lost Love Lost“.

Normalerweise endet eine Inszenierung mit dem, was der Name der Truppe schon ankündigt: mit Ramba Zamba. Tanz, Party, Gesang. Doch dieses Mal geht es im Stillen zu Ende. Das gesamte 30-köpfige Ensemble sitzt vor der Rampe und erzählt etwas in Gebärdensprache. Die Schauspieler schauen wie ein Chor ins Publikum, aber sie bilden kein geschlossenes Ganzes. Jeder bleibt für sich. Die Gebärden sind dabei Ausdruck eines Artikulationsvermögens und gleichzeitig anrührendes Bild für die Schwierigkeit, sich verständlich zu machen.

Immer wieder während der knapp dreistündigen Aufführung verständigen sich die Schauspieler mithilfe von Gebärden. Was ursprünglich dem Umstand geschuldet war, dass die gehörlose Rosemarie Walter zum ersten Mal dabei ist, wurde tragendes Darstellungsmittel und Chiffre des Abends: Hör mir zu, also: Schau mich an! Es kann nämlich gut sein, dass ich gar nicht der bin, den du zu sehen meinst. Prospero. Hamlet. Othello. Richard III. Ramba Zamba, das einzigartige Theater, in dem Schauspieler mit geistiger Behinderung als professionelle Schauspieler ihr Geld verdienen, spielt Shakespeare. Das heißt, Regisseurin und Autorin Gisela Höhne hat aus einer Handvoll Shakespeare-Stücken im Hin und Her mit den Darstellern eine Handlung entwickelt, die nicht nur Spaß macht, sondern auch immer wieder die Lebenssituation der Spieler reflektiert.

Der rachsüchtige Prospero lässt mit Hilfe eines heraufbeschworenen Sturms eine Schauspielertruppe kentern und an die Ufer einer Insel spülen, auf der er mit seiner Tochter Miranda (Rosemarie Walter) selbst früher gestrandet war. Um die Neuankömmlinge zu strafen, nimmt er ihnen erst einmal die Rollen weg. Um ihnen sein Leiden zu vermitteln, verdammt er sie dazu, Shakespeare zu spielen. Geschichten von Intrige, Eifersucht, Täuschung und Raserei. Der im Rollstuhl sitzende Sven Norman spielt diesen Rächer im grünen Fantasiegewand mit schneidiger Kälte und diabolischer Abgründigkeit, die immer als eine Folge maßloser Verletzungen und tiefer Einsamkeit erkennbar bleibt. Wenn er, den dürren Arm wütend um sich schleudernd, den anderen entgegenspeit: Es gibt keine glücklichen Liebesgeschichten, stockt einem der Atem. Einige der Spieler können allerdings nur lachen. Denn das, was sich Prospero als schlimme Tortur denkt, finden sie großartig. Der eine will gleich alle Rollen übernehmen, während sich die anderen inbrünstig in den Hamlet werfen. Natürlich, es gibt viele wunderbare Gruppenszenen, magische Bilder und (mindestens) eine unwiderstehliche Liebesgeschichte, die von der Unmittelbarkeit und dem besonderen Humor der Darsteller leben – doch das, was einem vor allem in Erinnerung bleibt, ist Prosperos hilfloses Wüten. Es ist von einer kreatürlichen Wucht und zeigt, was Ramba Zamba auch kann. Unversöhnlich sein.

Kulturbrauerei, Schönhauser Allee 36- 39, wieder 4.-7. und 9./10. Januar

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