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HÖREN: Erkenne nie die Melodie

Mal überlegen, ob es stimmt, was der Elektro-Pop-Künstler Christopher von Deylen alias Schiller, der eben mit Hélène Grimaud, Anna Netrebko und Albrecht Mayer für die Deutsche Grammophon eine Crossover-Platte mit „klassischem“ Geschmack produziert hat, über den Besuch eines Symphoniekonzerts gesagt hat. Ein solcher Besuch übrigens, dieser Zwischenruf muss möglich sein, bevor es weiter um Christopher von Deylen geht, wird natürlich von verschiedenen Richtungen aus mitgesteuert.

Mal überlegen, ob es stimmt, was der Elektro-Pop-Künstler Christopher von Deylen alias Schiller, der eben mit Hélène Grimaud, Anna Netrebko und Albrecht Mayer für die Deutsche Grammophon eine Crossover-Platte mit „klassischem“ Geschmack produziert hat, über den Besuch eines Symphoniekonzerts gesagt hat. Ein solcher Besuch übrigens, dieser Zwischenruf muss möglich sein, bevor es weiter um Christopher von Deylen geht, wird natürlich von verschiedenen Richtungen aus mitgesteuert.

Zum Beispiel vom verständlichen Bedürfnis nach Beziehungspflege („Schatz, für Dienstag haben wir Konzertkarten“), von persönlichen Vorlieben („ein Stück, das wir früher im Schulorchester gespielt haben, total schön“), der Begeisterung für bestimmte Künstler („ich freue mich schon auf Pierre Laurent-Aimard“), von sozialen Wünschen („und für dich ist sicher auch diese sexy Frau am Einlass da“) und allerhand weiteren Überlegungen („es ist ein Benefizkonzert/Gabi und Klaus kommen auch“). Anders gesagt, geht man durchaus nicht nur wegen der Musik ins Konzert. Übrigens auch nicht wegen einzelner Melodien, selbst wenn Christopher von Deylen das gerade genauso herausgefunden haben will.

Wir trafen uns zum Interview und sprachen über die neue Schiller-Platte, die – Klassik, ick hör dir trapsen – natürlich „Opus“ heißt. Und von Deylen erzählte, sehr höflich und sehr aufgeräumt, wie er Hélène Grimaud in New York persönlich zum Klavier-Computer-Musizieren traf, während Anna Netrebko allein in einem Studio ins Mikrofon sang. Wie er das Album an einem Computer in der kalifornischen Wüste produzierte und dass selbst die majestätisch schönen Berge auf dem Cover des Albums „Synthesizerberge“ sind. Und dass er ja eines nicht an der Klassik verstehe, nämlich dass man ins Konzert gehe und dort „erst einmal eine halbe Stunde völlig zusammenhangloses Vor-Sich-Hinkomponieren, Schau-Komponieren erdulden muss, damit endlich die Melodie kommt, wegen der ja überhaupt alle da sind“.

Da haben wir es. Das tönt doch revolutionär. Also fast. Denn offenbar hat von Deylen nie die Enttäuschung erlebt, dass eine Melodie im Konzert nur ein fahler Abglanz dessen ist, was Werbeclips und Klingeltöne aus ihr gemacht haben. Und womöglich weiß er auch nicht, dass es schrecklicherweise auch Konzerte ganz ohne bekannte Melodien gibt. Das neue Album jedenfalls besteht aus Melodien und zusammenhanglosem Vor-Sich-Hinkomponieren, entspricht also exakt seinen Erwartungen an das klassische Repertoire.

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