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Noch ist hier Brache. Aber wo jetzt die Bäume stehen, wäre Platz für einen Neubau an der Potsdamer Straße zwischen Neuer Nationalgalerie (links) und Philharmonie (hinten).

© Thilo Rückeis

Hoffnung für das Berliner Kulturforum: Ein neues Haus für die Kunst der Moderne?

Wenn es nach einer "Machbarkeitsstudie" der Museen geht, bekommt das Kulturforum endlich seine Mitte: einen Neubau für die Kunst der Moderne - zwischen Neuer Nationalgalerie und Philharmonie. Schöner Nebeneffekt: Die Alten Meister bleiben in der nahe gelegenen Gemäldegalerie.

Noch ist nichts offiziell, doch zunehmend schwirrt das Gerücht durch die Lüfte, die Waage habe sich geneigt: die Waage zwischen der Verlagerung der Gemäldegalerie an die Museumsinsel auf der einen und dem Neubau einer Galerie fürs 20. Jahrhundert auf der anderen Seite. Zu dieser Frage hatte die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) als Trägerin der Staatlichen Museen Berlin im vergangenen Herbst eine „Machbarkeitsstudie“ in Auftrag gegeben. Sie liegt intern wohl schon vor, wird aber zurückgehalten (Tagesspiegel v. 5. 8.). Wo zunächst auf Beschleunigung gesetzt wurde, ist jetzt Verlangsamung die Parole. Erst im Dezember, auf seiner nächsten turnusmäßigen Sitzung, soll der Stiftungsrat der Stiftung über die Studie befinden.

Die Stimmen mehren sich, die da wissen wollen, das Ergebnis der Studie sei eindeutig. Demnach wird die Verlagerung der Gemäldegalerie vom Kulturforum in einen künftigen Neubau gegenüber der Museumsinsel abgelehnt, der Neubau eines Museums für die Bestände des 20. Jahrhunders auf der Freifläche an der Potsdamer Straße hingegen befürwortet. Die Gemäldegalerie, eigens für die Alten Meister errichtet, bliebe demnach, was sie ist; die Neue Nationalgalerie hingegen, deren Sammlung des 20. Jahrhunderts jeweils nur häppchenweise gezeigt werden kann, würde ein Nachbargebäude für diese Bestände erhalten. Der – demnächst zur Sanierung für drei Jahre geschlossene – Kunsttempel Mies van der Rohes aus dem Jahr 1969 würde künftig allein für Ausstellungen genutzt werden. Das seit langem forcierte Vorhaben, die Gemälde und die Skulpturen der Zeit bis 1800 mit einem zusätzlichen Neubau in Verbindung zum Bode-Museum zusammenfassen, würde sich auf geradezu mephistophelische Weise in sein Gegenteil verkehren: in einen Neubau für das arg vernachlässigte 20. Jahrhundert.

Sollte diese Empfehlung seitens der untersuchenden Bundesanstalt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) tatsächlich ausgesprochen werden, rückte das Kulturforum in den Brennpunkt des öffentlichen Interesses. Wieder einmal: Denn wie oft ist schon über die Gestaltung des Kulturforums gestritten worden, dieses mehrheitlich ungeliebten Konglomerats von Museen, Philharmonien und Staatsbibliothek mit der gähnend leeren Brache zu Füßen der Matthäikirche, dem einzigen Zeugnis des 19. Jahrhunderts auf dieser von Nazi-Planung, Bombenkrieg und Nachkriegsabrissen verwüsteten Fläche!

Es ist kaum noch möglich, eine Diskussion über die Gestaltung des Kulturforums zu führen, bei der alle Beteiligten auch nur darüber einig wären, worüber sie sprechen. Hans Stimmann, als Senatsbaudirektor 15 Jahre lang der Lenker des Berliner Baugeschehens, hat im vergangenen Jahr entnervt ein Buch vorgelegt, das die bisherigen Ideen, Entwürfe, Planungen vorführt, vor allem aber die große Ratlosigkeit, die noch jedes Vorhaben alsbald erstickte. Vier Seiten lang ist die Chronologie des Tiergartenviertels, drei davon die des Geländes, das unter dem Namen „Kulturforum“ zum Problemfall wurde.

Man lasse die Vergangenheit ruhen und nehme, was vor aller Augen liegt: eine Freifläche vom Rand der (Neuen) Potsdamer Straße bis zu den als Pkw-Stellfläche genutzten Resten des Matthäikirchplatzes und darüber hinaus bis zu den ersten Stufen und Platten jener wohlmeinend „Piazzetta“ genannten Schräge, die zum gemeinsamen Eingang der Staatlichen Museen hinaufführt und nur existiert, weil darunter ein missgestaltetes Parkhaus verdeckt werden muss.

Ein Gebäude an der Kante der Potsdamer Straße würde den allerersten Entwurf von Hans Scharoun aufnehmen, des Architekten von Staatsbibliothek (eröffnet 1978) und Philharmonie (1963), der zur Vollendung seiner Idee von „Stadtlandschaft“ ein niedriges, durch Sheddächer gestaffeltes Atelier- und Gästehaus vorsah. Es wurde nie gebaut, wuchs aber unter den Händen von Scharouns Erbwalter Edgar Wisnieswki zu einem nahezu monströsen Baukörper. Mit einem Museumsneubau würde sich die Freifläche auf die Zufahrt zum – wohlgemerkt rückwärtig gelegenen – Haupteingang der Philharmonie verengen. Die könnte dann, zusammen mit dem unsäglichen Philharmoniker-Parkplatz in Richtung Potsdamer Platz, endlich zu einem menschenfreundlichen Platz erhoben werden.

Der Museumsbau selbst müsste sich der benachbarten Neuen Nationalgalerie würdig erweisen. Die weitgespannte Halle der Nationalgalerie bliebt der Geniestreich, das Vermächtnis des einstigen Bauhaus-Direktors Ludwig Mies van der Rohe. Ihr gegenüber kann ein Neubau nur bestehen, der eine eigene, zurückhaltende Formensprache besitzt. Stimmann hatte für sein Buch (Zukunft des Kulturforums. DOM Publishers, Berlin 2012, 48 €) sechs Architekten gebeten, Vorentwürfe für die Freifläche zu liefern – unter der bis heute gültigen Prämisse, dass die SPK ihre Gemäldegalerie auf jeden Fall in einen Neubau gegenüber dem Bode-Museum an der „Insel“ verlegen werde. Die räumliche Mitte des Gesamtkomplexes Kulturforum mit ein paar Wohnungen und Ladengeschäften zu füllen, konnte nicht überzeugen. Die Prämisse war falsch. Anderes, Besseres wäre zu erwarten, stünde erst einmal die Bauaufgabe „Galerie des 20. Jahrhunderts“ fest.

Was bedeutete eine solche Galerie für das Gefüge der Staatlichen Museen? Zuallererst, dass die Gemäldegalerie, die vom Büro Hilmer und Sattler maßgeschneiderte Hülle der 1300 dort gezeigten Altmeister-Gemälde, unverändert erhalten bliebe. Die Vorzüge dieses bei all seiner Größe intimen Bauwerks sind in den vergangenen Monaten genug gewürdigt worden, um diesen Verbleib nicht als Kleinmut, sondern als von Anfang an richtige Lösung zu verdeutlichen. Sodann würde die Nationalgalerie ihre herausragende Sammlung der Kunst des 20. Jahrhunderts, vermehrt um die derzeit noch im Hamburger Bahnhof untergebrachten Bestände der Zeit zwischen 1960 und 1980, endlich dauerhaft präsentieren können. Zusammen mit dem Mies-Tempel als Wechselausstellungshalle wäre die Kunst der Moderne, die historisch mit Berlin aufs Engste verwoben ist, endlich als Jahrhundertleistung zu erleben.

Darüber hinaus würde eine Idee reifen, die das Kulturforum stets begleitet hat: zwar nicht, dass hier alle „Museen der europäischen Kunst“ versammelt wären, doch zumindest diejenigen „der Moderne“. Die europäische Kunst als Ganzes wäre weiterhin – und unaufhebbar – geteilt, weil das Bode-Museum ein Torso bliebe, mit herrlichsten Skulpturen, aber vom Geschmack und den Sehgewohnheiten heutiger Besucher seltsam abgeschnitten. Und ebenso wenig wäre zu leugnen, dass die Alte Nationalgalerie mit ihrer großartigen Sammlung der Kunst des 19. Jahrhunderts isoliert dastünde, noch einsamer, als sie sich heute unter all den Museen der Archäologie und der Antike ausnimmt, die die Museumsinsel prägen.

Es gibt keine Ideallösung für die Verteilung und Unterbringung der Staatlichen Museen. Die wechselvolle Geschichte Berlins hat ein organisches Wachstum, wie es Institutionen wie dem Pariser Louvre oder dem British Museum in London vergönnt war, be- oder verhindert. Die Lösung liegt eher nicht in der gewaltsamen Erweiterung der Museumsinsel in den umgebenden Stadtraum hinein. Sie liegt, und das beflügelt die Gerüchte über den Ausgang der Machbarkeitsstudie, eher im kraftvollen Umgang mit dem vorhandenen Potenzial – an der Potsdamer Straße. Seinerzeit, als Berlin geteilt war und es großen Mutes bedurfte, das Kulturforum zu planen, hieß es mit Stolz und Trotz die „zweite Museumsinsel“.

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