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Kultur: Hokus Lokus

Auferstanden: Das Hansa- und das Schlossparktheater spielen wieder

Soll man sie mutig nennen – oder doch eher tollkühn? Andreas Gergen und Gerald Michel wollen das Berliner Schlossparktheater zu neuem Leben erwecken. Als private Unternehmer, ohne einen Euro Zuschuss vom Staat. Sicherlich, die Steglitzer Bühne ist ein Schmuckstück. Seit 1921 wird hier Theater gespielt, nach dem Krieg arbeitete hier kein Geringerer als Boleslaw Barlog. 1950 wurde das 440-Plätze-Haus zum Staatstheater geadelt – und dann 1993 zusammen mit dem Schillertheater vom Senat geschlossen. Erstaunlich lange hielt sich der erste Nachmieter, Heribert Sasse. Doch auch der Tausendsassa musste 2003 aus finanziellen Gründen aufgeben.

Der 30-jährige Schauspieler Andreas Gergen und sein 35-jähriger Produktionsmanager Gerald Michel haben keine mächtigen Fürsprecher im Senat hinter sich. Dafür aber die „Stage Holding“. Der holländische Unterhaltungskonzern, der in Berlin das Theater des Westens und das Musicalhaus am Potsdamer Platz betreibt, greift den Nachwuchsimpresario in der Startphase mit einem Darlehen in Höhe von 700000 Euro finanziell unter die Arme. Auch in den Niederlanden unterstützt die Stage Holding diverse kleine Theater. So, wie die großen Broadway-Shows zunächst an der Westküste ausprobiert werden, bevor sie in New York herauskommen, kann die Stage Holding dank dieser Satelliten-Theater neue Stücke relativ risikolos auf Publikumstauglichkeit prüfen.

Wie beispielsweise die Satire „Urinetown“: Nach einer Umweltkatastrophe muss das Wasser rationiert werden. Die Regierung verbietet die Benutzung privater Toiletten – bis ein Volksaufstand losbricht. Für Gergen und Michel hat der Aufdruck auf den blauen Baustellen-Klohäuschen einen neuen Sinn, seit sie die Rechte für „Urinetown“ erworben haben: „Toi, toi“ werden sie als Aufmunterung lesen – und man kann es den beiden Jungintendanten nur wünschen, dass sich die Leute nicht von dem deutschen Titel „Pinkelstadt“ abschrecken lassen. Für den 7. Oktober ist die Europapremiere der Broadway-Show angesetzt.

Nicht minder riskant als das Steglitzer Schlosspark-Experiment ist der Plan von Christian Andreas Schnell, das Hansa-Theater subventionsfrei zu betreiben. Schnell, der zuletzt eine Bühne im nordrhein-westfälischen Dinslaken leitete, will das Moabiter Traditionshaus noch stärker als seine Vorgänger im Kiez verankern: „Berlin hat so viele Staatstheater – wir eröffnen jetzt das erste Stadttheater“, fasst er sein Konzept zusammen. Genau dieser lokale Blick hatte vor drei Jahren allerdings dazu geführt, dass eine vom Kultursenator eingesetzte Gutachterjury gegen Subventionen für das Hansa-Theater votierte. Fazit: Ab 2003 sollte das Theater nicht weiter gefördert werden. Genauso kam es.

Der neue Betreiber Christian Alexander Schnell allerdings setzt neben dem Bezirksbezug noch auf ein weiteres Publikumslockmittel: auf Stars und Sternchen, die die Leute aus dem Fernsehen kennen – das funktioniert schließlich auch bei den Wölffer-Bühnen am Ku’damm. Lilo Wanders wird einen Evelyn-Künneke-Abend gestalten, Sissi Perlinger spielt ab 20. August in der Eröffnungsproduktion „Von allen guten Geistern verlassen“ des Autors Daniel Call, außerdem sind Senta Berger und Iris Berben bereits für Gastauftritte verpflichtet.

Dass ein Privattheater selbst bei besten Publikumszahlen in die Krise rutschen kann, zeigt unterdessen der Fall des Theaters im Palais: Die auf literarisch-musikalische Kammerspiele spezialisierte Bühne im Palais am Festungsgraben musste Anfang Juni Insolvenz anmelden, obwohl die Platzauslastung bei 75 Prozent liegt. Doch mit den Einnahmen aus dem Kartenverkauf sowie dem 176000- Euro-Zuschuss von der Kulturverwaltung lassen sich die Personalkosten für die 14 Mitarbeiter nicht mehr decken. Nun hängen alle Hoffnungen am Freundeskreis: Sollte es ihm gelingen, neue Geldquellen zu erschließen, wird die Saison wie geplant am 8. September starten.

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