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Kultur: Hollywood hat kein Herz mehr

Ein Komiker muss fallen können: eine Begegnung mit Jerry Lewis in Berlin

Gibt es ein Patentrezept fürs Komischsein? „Hinfallen“, sagt Jerry Lewis. Seinen ersten Slapstickerfolg feierte der Mann, den viele für den größten lebenden Komiker der Welt halten, im Alter von fünf Jahren. Er trug einen Smoking und sang „Brother Can You Spare a Dime“, damals – 1931 – ein großer Hit. Als er sich anschließend verneigte, stieß er mit dem Fuß gegen einen Scheinwerfer, der Scheinwerfer explodierte und der kleine Sänger bekam davon einen so großen Schreck, dass er hinfiel. Die Zuschauer rasten vor Begeisterung. „Seitdem“, erzählt Lewis, „habe ich nicht mehr aufgehört hinzufallen“.

Jerry Lewis wird im März 79 Jahre alt, er hat eine Stufe seiner Karriere erreicht, bei der es vor allem darum geht, Huldigungen entgegenzunehmen. Er ist für ein paar Tage nach Berlin gekommen, wo ihm am Mittwochabend eine „Goldene Kamera“ überreicht wurde. Am Donnerstag war er in der American Academy am Wannsee zu Gast, um über sein Leben zu sprechen. Seit mehr als sechzig Jahren macht sich Lewis nun schon zum Clown, durch besondere Feingeistigkeit ist sein Humor dabei nie aufgefallen. Ihm kam es immer nur darauf an, dass die Leute über ihn lachen. Und das tun sie bis heute.

Seine Filme kamen in Deutschland mit Titeln wie „Aschenblödel“, „Der Bürotrottel“. „Der Tölpel vom Dienst“, „Der Spinner“ oder „Dümmer als die Polizei erlaubt“ ins Kino, und so grobschlächtig wie diese Titel ist auch ihr Witz. Im Grunde spielt Lewis immer wieder dieselbe Rolle: einen mit der Wirklichkeit hadernden Antihelden, fast einen modernen Hiob, der mit seinem Missgeschick groteske Kettenreaktionen bis zum Abfackeln ganzer Filmsets auslöst. Er schneidet Fratzen und bewegt sich in gummiartigen Verrenkungen, ein ewiges Kind, das sich in der Welt der Erwachsenen nicht zurechtfindet. Lewis macht sich absichtlich klein, ein Trick, um die Sympathie des Publikums zu gewinnen: „Damit die Zuschauer sich mit dieser Figur identifizieren können, müssen sie ein wenig darauf hinabschauen.“

Sein Auftritt in der American Academy, bei dem der Star gut gelaunt in einem Ledersessel Platz nimmt, gerät zum Comedy-Ereignis. Obwohl es Vormittag ist, grüßt Lewis mit „Guten Abend“, seinem Gesprächspartner, dem mit den Tücken der englischen Sprache kämpfenden Filmemacher Eckhart Schmidt, versichert er: „Ihr Deutsch ist hervorragend“, und als sich ehrfürchtige Stille über den Saal legt, kalauert er: „Hier ist es so ruhig, dass man die Reißverschlüsse in der Herrentoilette hören kann.“

Angefangen hat Jerry Lewis als „Schallplattenpantomime“, der sein Gesicht zu Vollplayback zerknautschte. Der Durchbruch gelang ihm an der Seite von Dean Martin, mit dem er 1946 zum ersten Mal in einem Nachtclub in Atlantic City auftrat. „Er war der Sex, ich war der Affe, eine wunderbare Kombination.“ Martin sei „die Liebe meines Lebens“ gewesen, versichert Lewis. Gerade hat er ein Buch über ihre Zusammenarbeit geschrieben, das im Herbst unter dem Titel „Dean & Me“ erscheinen soll. Sie drehten 16 Filme miteinander, bis sie 1956 im Streit auseinander gingen. Lewis ist ein Kontroll-Freak, deshalb war er immer wieder mit Martin aneinander geraten. Ohne ihn auf der Bühne zu stehen, das sei, „als hätte ich meinen rechten Arm verloren“.

„Total filmmaking“, seinen Traum vom totalen Kino, verwirklichte Lewis bald nach seiner Trennung von Martin. Er begann seine Filme selbst zu inszenieren, „um meine Arbeit zu schützen“. Um gleichzeitig Regie und Hauptrolle übernehmen zu können, ließ er TV-Monitore neben den Kameras platzieren, in denen er das Bild überwachte. Zurzeit arbeitet er als ausführender Produzent an den Remakes seiner erfolgreichsten Komödien der fünfziger und sechziger Jahre. Dabei will er mit Hollywood nicht mehr viel zu tun haben. Die Filme, die dort heute entstehen, seien „ohne Herz“.

Ob er irgendetwas in seinem Leben bereue, will eine Zuhörerin wissen. „Nein, ich bedaure nichts“, antwortet der Komiker. Und wenn er einen Wunsch frei hätte? „Dann würde ich alle meine Filme noch einmal drehen, nur besser.“ Man muss sich Jerry Lewis als einen glücklichen Menschen vorstellen.

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