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Hommage an Sigmar Polke: Faxen machen

Klaus Staeck inszeniert in Berlins Akademie der Künste eine Hommage an den Maler Sigmar Polke, der letztes Jahr gestorben ist.

Superman geht einkaufen. Im Supermarkt, wo sonst? Doch weil hier jeder wie der blau-rote Retter aus dem Comic aussieht, ist der Mann mit den Superkräften bloß ein Konsument, der sich wie alle anderen den Wagen voller Konserven lädt. Ein Spießer mit Appetit auf die Verheißungen einer kleinbürgerlichen Welt.

So hat Sigmar Polke Superman in seine raumfüllende Werkserie von 1976 aufgenommen. Die zehnteilige Arbeit bildet das Herzstück einer Retrospektive, die die Akademie der Künste oder besser: Akademie-Präsident Klaus Staeck, dem renommierten Künstler im Haus am Pariser Platz widmet. 70 Jahre wäre Polke, der im Sommer 2010 an Krebs verstarb, jetzt geworden. Staeck war sein wichtigster Verleger, und auch wenn der Maler das preiswerte Instrument der Edition schon in den achtziger Jahren nicht mehr brauchte, weil er bereits dreimal auf der Documenta in Kassel vertreten und mit Preisen überhäuft worden war, blieb er Staeck treu. Eine Freundschaft, die 1969 begann, als Staeck nach einem Aktions-Festival in Heidelberg einige offene Rechnungen begleichen musste und Künstler wie Beuys, Christo oder eben Polke um verkäufliche Objekte bat. Genutzt hat es ihm nicht, denn Polkes „Kartoffelmaschine“ war als Edition nur schwer zu realisieren und fand für 290 D-Mark kaum Interessenten. Nun markiert sie in der Ausstellung den Auftakt einer sehr persönlichen Beziehung, aus der über 90 teils große Blätter in diversen Auflagenhöhen hervorgegangen sind. Darunter Legendäres wie das „Bizarre“-Künstlerbuch mit übermalten Wahlplakaten von 1972, die „Kölner Bettler“ oder die Arbeit „Entartete Kunst“, für die Polke originales Fotomaterial aus der NS-Zeit rasterte, bis man vor lauter Punkten kaum noch ein Motiv erkannte.

Die hintergründige Verunklärung, Polkes subversive Kritik an der narkotisierenden Wirkung des Konsums waren sein Markenzeichen – weshalb es auf den ersten Blick auch erstaunt, dass der Draht zwischen den Kollegen so kurz und ihr Kontakt derart intensiv war. Hier der spöttische Maler, der kaum Interviews gab und in der Öffentlichkeit gern den manischen Fotografen spielte. Dort der beredte Provokateur, dessen eigene Plakate stets eindeutig waren und politisch intervenierten. Zusammengehalten habe sie „diese eigenwillige Ironie“, meint Staeck. Das Flottieren von Ideen, die sich in alle möglichen Richtungen entwickeln konnten. Falls der Editeur seinen Künstler im Rheinland zu fassen bekam. Denn leicht hat es Polke niemandem gemacht. Über 100 Faxe am Eingang der Ausstellung zeugen von Staecks Versuchen der Kommunikation: Immer wieder galt es, mit Blick auf die Editionen Entscheidungen zu treffen. Polke aber ließ fast alle Post unbeantwortet und bedankte sich später auf seine Art – indem er die Rechnungen malerisch dekorierte und zu Kunstwerken machte.

Staeck demonstriert zwischen den Fotos und Notizen aus seinem persönlichen Archiv, wie subjektiv die Ausstellung „Sigmar Polke – Eine Hommage“ gemeint ist. Sein Korrektiv eines allzu sentimentalen Rückblicks sind jene zehn imposanten Gouachen der Serie „Wir Kleinbürger! Zeitgenossen und Zeitgenossinnen“, die Mitte der siebziger Jahre entstanden und nach einem Ankauf bald im Depot verschwunden waren. Erst 2009 tauchte die Serie wieder auf, im Rahmen einer Ausstellung in der Hamburger Galerie der Gegenwart. Ihr Kurator Dietmar Rübel setzt sie in Berlin noch einmal in Szene: ein hemmungsloses Theater mit Sex und Drogenexperimenten, Göttinnen und Superhelden, die statt Wunderautos ihre Einkaufswagen spazieren fahren.

Polke, der die Schau in Hamburg noch begleitete, tat sich dort schwer mit der brachialen Nonkonformität seiner frühen Jahre. Für die Rezeption aber ist die Serie ein Glück, weil sie noch einmal zeigt, wie viel Gesellschaftskritik im Lebenswerk des Malers steckt.

„Sigmar Polke – eine Hommage“, Akademie der Künste, Pariser Platz, bis 13.3.

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