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Kultur: Horror Potzlow

Tamara Milosevics Doku über den Freund des Opfers

Die Ermordung des siebzehnjährigen Marinus durch eine Gruppe Gleichaltriger im Juli 2002 im brandenburgischen Potzlow war verstörend brutal. Künstlerische Auseinandersetzung fordert sie unbedingt heraus, direkte Annäherung aber macht sie unmöglich.

Andres Veiel hat in seinem Dokumentarstück „Der Kick“ und dem daran anschließenden Film versucht, diesen Widerspruch über die distanzierende Form der theatralischen Re-Inszenierung zu lösen. Die Filmstudentin Tamara Milosevic wählt einen anderen Umweg. Sie beschäftigt sich mit dem besten Freund des Opfers, der mittendrin im Geschehen war und doch immer außen vor. Nach seiner Entdeckung der Tat gilt Matthias in Potzlow als „Verräter“. Trotzdem lebt er noch Jahre, schwer traumatisiert, mit seinen Eltern am gleichen Ort – Eltern, für die ihr missratener Sohn das Problem ist, nicht das, was ihm geschah. Ein Ort, wo das Leben für Außenseiter nur Qual ist und Ausgelassenheit fast immer auch Gewalt bedeutet.

Das Befremden der Regisseurin ist auch ohne Kommentar gut zu spüren. Mancher mag es als unhöflich empfinden, Menschen so hässlich zu zeigen. Wer solche Orte durchlitten hat, dürfte das allerdings anders sehen. Tamara Milosevics Film ist ein düsteres Sittenbild aus dem Innern eines gerne verdrängten ländlichen Deutschland. Stärker aber ist er als Porträt eines grenzenlos einsamen Kindes zu lesen: Die Heimeinweisung am Ende ist wohl die erste gute Wendung in Matthias Leben. S. H.

Eiszeit, Filmkunst 66, Hackesche Höfe

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