zum Hauptinhalt

Kultur: Howard Hasenherz

Der Ire Paul Murray erzählt von Nöten im Internat

Im noblen Seabrook-Internat sind die verschiedensten Charaktere nicht unbedingt zu ihrem Wohl zusammengepfercht. Es bildet die Kulisse für Paul Murrays Roman „Skippy stirbt“ – und beschäftigt vor allem Ehemalige, um eine wertebewusste irische Elite hervorzubringen. Bestes Beispiel für einen Seabrookianer ist der Geschichtslehrer Howard, dessen Eintritt in die Welt der Erwachsenen „einfach passiert, ein einzelnes Ereignis in einer langen, verschlungenen Kette von Ereignissen, ohne irgendeine nennenswerte Katharsis oder Epiphanie seinerseits, ohne jede innere Verwandlung oder Entwicklung, die ihn etwas gelehrt hätte, das es wert gewesen wäre, weitergegeben zu werden“. Seit Howard sich bei einer Mutprobe verweigerte, heißt er „Hasenherz“. Diese Erfahrung verfolgt ihn. Doch er verzweifelt ebenso an der tristen Gegenwart, die sein Leidensgenosse Farley so beschreibt: „Gedichte und Dessous. Ich dachte, darum ginge es im Leben. Und jetzt schau mich an. Was siehst du da? Einen gescheiterten Möchtegern-Kidult".

Die Wortschöpfung „Kidult“ zeigt das Leitmotiv des 780-Seiten-Buches an: Erwachsene werden nicht mehr erwachsen. Und der Nachwuchs gibt sich frühreif und jugendlich nihilistisch zugleich. Sowohl der Schüler Skippy als auch Howard scheitern an der Liebe, vor allem aber an sich selbst. Sie sind blind für die harte Realität der Erwachsenenwelt. Der ehemalige Buchhändler Murray, der 2003 mit „An Evening of Long Goodbyes“ erstmals auf sich aufmerksam machte, hat einen überbordenden, kunterbunten, schwer klassifizierbaren Roman geschrieben. Nicht zuletzt geht es darin um Irland, um seine katholischen Wurzeln und sein Wirtschaftswunder, das sich mehr und mehr als Luftblase erweist. Wohlgemerkt: Murray schrieb sein Buch vor der irischen Finanzkrise. Doch er wirft nicht mit Fachbegriffen um sich. Vielmehr übt er sich in einer pointierten Darstellung noch der aberwitzigen Ereignisse.

„Skippy stirbt“ ist nicht nur ein Buch über alterslose Menschen – es ist auch für Leser aller Altersgruppen. Das Internat ist die gesamte Gesellschaft en miniature, und das allmächtige System, das im Internat herrscht, wird für alle Beteiligten zu einer Qual. Seine Überwindung erfordert eine Größe, die zunächst niemand zu haben glaubt. Erst als Skippy stirbt, kommt es zum Widerstand. Nik Afanasjew

Paul Murray

Skippy stirbt. Roman.

Aus dem Englischen von Rudolf Hermstein und Martina Tichy. Antje Kunstmann

Verlag, München 2011.

782 Seiten, 26 €

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false