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Kultur: Hügelfieber

SOTTO VOCE Jörg Königsdorf springt über den Bach Nehmen Sie sich ruhig etwas Zeit: Die Kolumne, die Sie gerade zu lesen begonnen haben, gehört nämlich zu den wichtigsten des Jahres. Erstens, weil sich hier wegen der Osterfeiertage die Empfehlungen für zwei Wochen ballen; zweitens, weil ausgerechnet jetzt der Konzertkalender so voll ist wie kaum irgendwann sonst.

SOTTO VOCE

Jörg Königsdorf springt

über den Bach

Nehmen Sie sich ruhig etwas Zeit: Die Kolumne, die Sie gerade zu lesen begonnen haben, gehört nämlich zu den wichtigsten des Jahres. Erstens, weil sich hier wegen der Osterfeiertage die Empfehlungen für zwei Wochen ballen; zweitens, weil ausgerechnet jetzt der Konzertkalender so voll ist wie kaum irgendwann sonst. Was vor allem daran liegt, dass jede musikalisch ambitionierte Kirchengemeinde zum Fest ihre eigene Passion herzeigen möchte. Meist fällt die Wahl natürlich auf Bachs Matthäus- oder Johannes-Passion, aber einige Chorleiter bieten auch Alternativen zum allgegenwärtigen „Es ist vollbracht“.

Michael Ehrmann etwa macht sich mit seinem Chor der Französischen Kirche zu Berlin am Palmsonntag für das spätbarocke Passionsoratorium von Johann Heinrich Rolle stark (Französische Friedrichstadtkirche), und der RIAS-Kammerchor und das Deutsche Symphonie-Orchester haben sich für die termingerechte Aufführung von Grauns Osteroratorium am Ostersonntag und Ostermontag in der Philharmonie eigens den Musica-Antiqua-Chef Reinhard Goebel ans Pult geholt.

Die Staatsoper spricht derweil den weltlich gesinnten (und gut betuchten) Berlin-Touristen an. Dass mit Schönbergs „Moses und Aron“ diesmal eine Opernpremiere mit religiöser Konnotation im Mittelpunkt steht, ändert daran wenig. Angesichts der Zielgruppe ist es allemal wagemutig, Werke von Arnold Schönberg in den Mittelpunkt des Programms zu stellen. Die Pleite, die die Lindenoper vor Jahren mit der (exzellenten) Strawinsky-Schönberg-Produktion aus dem Pariser Chatelet erlebte, ist noch in guter Erinnerung. Damals wurden die hochpreisigen Tickets schließlich zum Dumping-Preis an Studenten abgegeben. Die dürfen auch diesmal hoffen: auf die beiden „Moses“-Vorstellungen am 4. und 10.4..

Bittere Schönberg Pillen verabreicht auch Daniel Barenboim mit dem Chicago Symphony Orchestra vom 7. bis zum 9.4. (Karfreitag) in der Philharmonie , obwohl sie mit reichlich Bach und Tschaikowsky dragiert sind. Wobei die anhaltende Schönberg-Skepsis in weiten Publikumskreisen – entsprechende Protestbriefe seiner Abonnenten kann jedes Berliner Orchester vorzeigen – einen eher verwundert: Die gleichen Leute, die Picassos ästhetische Revolutionen bestaunen, tun sich oft schwer, gleiches Recht auch der Musik zuzubilligen. Bilder machen auch Lärm.

Um die Summe der österlichen Konzertrituale voll zu machen, sei auf den Karfreitag (oder Ostersonntag) verwiesen, wo an der Deutschen Oper Wagners „Bühnenweihfestspiel“ gezeigt wird. „Parsifal“ ist selbstverständlich Chefsache, und alle Wagnerianer, die es nach Bayreuth nicht geschafft haben, können hier Christian Thielemanns Dirigat hören, ohne zehn Jahre auf Karten zu warten. Die Inszenierung Götz Friedrichs ist zwar nicht gerade ein packendes Theatererlebnis – aber wer weiß, ob Christoph Schlingensief auf dem Grünen Hügel mehr zum „Karfreitagszauber“ einfallen wird?

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